Bei Kälte im Bast-Rock tanzen
Damals wurden Afrikaner noch wie Zirkus-Tiere auf Jahrmärkten als Attraktionen für Schaulustige vorgeführt. Wobei die Veranstalter dafür sorgten, dass der Nervenkitzel möglichst exotisch aussah: Selbst bei Kälte mussten Schwarze halbnackt im Bast-Rock tanzen und kämpfen.
Diese Spektakel waren nicht unumstritten: Schon 1885 schlugen die satirischen «Fliegenden Blätter» vor, eine Karawane aus Oberbayern in Trachten solle durch Afrika ziehen – zur Belustigung der Schwarzen. Ab 1912 veröffentlichte der Pazifist Hans Paasche fiktive Briefe über die «Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland»: Aus seiner Sicht wirkten Sitten wie Grüßen mit gelüpftem Hut und der Zwang, den Tagesablauf nach der Uhrzeit einzuteilen, äußerst bizarr.
Polyperspektivische Plastiken aus Afrika
Doch den Eigenwert afrikanischer Kulturen betonte zuerst Carl Einstein. Er schätzte deren Skulpturen nicht nur als europäischen ebenbürtig ein, sondern sogar als höherwertig. Mit rein ästhetischen Argumenten: Seit der Renaissance orientieren sich Bildhauer wie Maler in Europa an der Zentral-Perspektive – alle Werke werden auf einen idealen Betrachter-Standpunkt ausgerichtet.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Dogon – Weltkulturerbe aus Afrika" in der Bundeskunsthalle, Bonn
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Afrikanische Stelen im Kontext zeitgenössischer Kunst" in der Galerie Hirschmann, Berlin
und hier eine Kritik der Ausstellung "Afropolis" über fünf afrikanische Mega-Cities in Köln + Bayreuth
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Momente des Selbst: Porträt-Fotografie und soziale Identität" mit afrikanischer Fotografie in The Walther Collection, Neu-Ulm.
Geschenkter Nubier für preußischen Prinz
Wie triftig Einsteins Überlegungen sind, zeigt sich an der Ausstellung selbst. Während die verwinkelten Museums-Räume auf zwei Etagen die Fülle der Sammlung Klimmt kaum fassen können, beschränken sich die Exponate zur europäischen Forschung auf Flachware wie Karten, Fotos und Manuskripte. Um ihre Bedeutung zu verstehen, ist der Katalog unerlässlich.
Mit einer Ausnahme: dem unerhörten Lebenslauf des Nubiers August Sabac el Cher. Er wurde 1842 als Knabe dem preußischen Prinzen Albrecht auf dessen Ägypten-Reise geschenkt, kam in seinem Gefolge nach Deutschland und stieg zu Albrechts Leibdiener auf. Sein Sohn Gustav wurde gefragter Kapell-Meister und heiratete 1901 eine Königsbergerin.
Schwarz-Weißes Liebesglück
Bereits elf Jahre zuvor hatte Emil Doerstling sein «Preußisches Liebesglück» gemalt: ein Schwarzer in Armee-Uniform hält eine rosige deutsche Dame im Arm. Der Künstler ist vermutlich Gustav Sabac el Cher nie begegnet, doch ahnte er dessen Ehe voraus – eine Vision der künftigen Globalisierung im Privatleben.