Maggie Peren

Die Farbe des Ozeans

In der Wasser-Wüste verdursten: Zola (Hubert Koundé) und sein entkräfteter Sohn Mamadou (Dami Adeeri) bei der Landung am Strand. Foto: Movienet
(Kinostart: 17.5.) Culture Clash im All-inclusive-Hotel: Eine deutsche Urlauberin trifft am Strand auf verdurstende Flüchtlinge – ihre Hilfe stürzt sie tiefer ins Elend. Illusionsloses Flüchtlings-Drama für Ferien-Flieger.

Alles dreht sich um Wasser: Während Nathalie (Sabine Timoteo) auf Gran Canaria im Atlantik badet, landet ein Flüchtlings-Boot aus dem Senegal am Strand. Auf der Überfahrt ist den entkräfteten Insassen das Trinkwasser ausgegangen.

 

Info

Die Farbe des Ozeans

 

Regie: Maggie Peren, 97 min., Deutschland 2011;
mit: Sabine Timoteo, Hubert Koundé, Alex Gonzalez

 

Website zum Film

Nathalie reicht Zola (Hubert Koundé) ihre Mineralwasser-Flasche, damit er den Inhalt seinem Sohn Mamadou einflößen kann – dann werden die Schwarzen von der Polizei in ein Internierungs-Lager gebracht.

 

Senegalesen werden abgeschoben

 

Polizei-Hauptmann José (Alex Gonzalez) verhört die Neuankömmlinge unbarmherzig: Falls sie Senegalesen sind, muss er sie sofort abschieben. José kennt Elend aus der eigenen Familie; seine Schwester Marielle ist ein Junkie. Zurück im All-inclusive-Hotel trifft Nathalie ihren Freund Paul (Friedrich Mücke), der nachgereist ist.


Offizieller Film-Trailer


 

Waisenkinder werden nicht abgeschoben

 

Derweil gelingt Zola mit seinem Sprössling die Flucht aus dem Lager; beide tauchen in einem Spaß-Bad unter, wo ein Landsmann ihnen angeblich helfen will. Telefonisch bittet der Flüchtling Nathalie um Geld für die Weiterreise – was sie ihm gegen den Willen ihres Freundes gibt.

 

Der hilfsbereite Landsmann entpuppt sich als Gangster: Um ihm das Geld abzunehmen, schlägt er Zola halbtot. Nathalie erfährt davon und lässt sich von José ins Krankenhaus bringen – zu spät. Grausame Ironie des Schicksals: Als Waise darf der kleine Mamadou nicht in seine Heimat zurückgeschickt werden.

 

Du hast keine Chance, also nutze sie

 

Eine Ferien-Insel als Schauplatz des culture clash zwischen Erster und Dritter Welt: Geschickt führt Regisseurin Maggie Peren drei völlig unterschiedliche Hauptfiguren ein, deren Wege sich kreuzen. Nathalie und Paul sind keine amüsierwütigen Pauschal-Touristen, sondern wissen um die Existenznot afrikanischer Wirtschafts-Flüchtlinge: Sie will helfen, er nicht.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Flüchtlings-Roadmovie "Black Brown White" von Erwin Wagenhofer

 

und hier eine Besprechung der Flüchtlings-Fantasie "Le Havre" von Aki Kaurismäki

 

und hier einen kultiversum-Beitrag über das Flüchtlings-Drama "14 Kilometer" von Gerardo Olivares.

Für den Polizisten José ist die Verwaltung des Flüchtlings-Stroms Alltag. Er muss Gesetzen Geltung verschaffen; Mitgefühl kann er sich nicht leisten. Der illegale Immigrant Zola weiß, dass er kaum eine Chance hat; dennoch versucht er alles, um seinem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

 

Kühle Perspektive auf Sommer-Hitze

 

Aus dieser Konstellation hätte jeder Fernsehspiel-Regisseur ein Melodram gemacht, in dem der kulleräugige Schoko-Junge am Ende in ein neues Leben aufbricht. Nicht so Maggie Peren: Einfühlsam und zugleich abgeklärt stellt sie die engen Spielräume dar, innerhalb derer ihre drei Hauptdarsteller agieren.

 

Die Urlauberin, der Polizist und der Immigrant: Sie alle stoßen auf Dilemmata, denen sie nicht entkommen können. Das wird mit illusionsloser Kühle gezeigt, die trotz sengender Sommerhitze frösteln lässt. Seine polyperspektivische Ausweglosigkeit macht den Film intellektuell redlich – und belastet ihn mit einer schweren Hypothek für die Kino-Auswertung.

 

Bord-Programm für Sonnen-Anbeter

 

Welcher Kanaren-Tourist will sich eingestehen, dass sein Bade-Paradies gleichzeitig die Endstation für verzweifelte Flüchtlinge ist? Man sollte «Die Farbe des Ozeans» im Bord-Programm der Ferien-Flieger ausstrahlen: Damit unbeschwerte Sonnenanbeter wenigstens ahnen, was auf sie zukommt.