Xelilo ist ein Anti-Held an der Schmerzgrenze: Stumm stapft er durch die Straßen der kurdischen Kleinstadt Nuseybin oder tigert hin und her, als litte er unter Hospitalismus. Mit seinen Mitmenschen verständigt er sich nur durch Mundraub: Er nimmt ihnen brennende Zigaretten weg und raucht sie selbst auf.
Info
Meş – Lauf!
Regie: Shiar Abdi, 88 min., Türkei 2011;
mit: Abdulselam Kilgi (Selamo), Abdullah Ado
Gewalt-Orgie türkischer Truppen
Bis Xelilo einem türkischen Offizier die Kippe aus dem Mund reißt. Dessen Leibgarde schlägt den Verwirrten zusammen – Auftakt zu einer so brachialen wie willkürlichen Gewalt-Orgie der türkischen Truppen. Die verfolgten Kurden schwören blutige Rache und gehen in den Untergrund.
Offizieller Film-Trailer
Appell für bewaffneten Kampf
Der erste ausschließlich auf Kurdisch gedrehte Kinofilm spielt 1980. Nach dem Putsch der türkischen Armee in Ankara eskalierte der Guerilla-Krieg der «Kurdischen Arbeiterpartei» (PKK). Den wollten die Generäle mit Repressalien gegen Kurden in der Ost-Türkei entscheiden. Doch ihre Strategie der verbrannten Erde bescherte der stalinistischen PKK nur größeren Zulauf.
Erst seit der Inhaftierung von PKK-Führer Abdullah Öcalan 1999 und dem liberaleren Kurs der amtierenden AKP-Regierung, die Kurden mehr Rechte einräumt, flaut die Gewalt ab. Dass Regisseur Shiar Abdi nun an die Anfänge des PKK-Aufstands erinnert, darf man als Appell verstehen, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen.
Militär-Sadisten misshandeln arme Kurden
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
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und hier eine Lobes-Hymne auf den Film “Once upon a time in Anatolia” von Nuri Bilge Ceylan
und hier eine Besprechung des türkischen Terrorismus-Thrillers “Labirent” von Tolga Örnek
Ob Xelilo symbolisch das Verstummen unterdrückter Kurden und der kleine Cengo die Hoffnung auf eine freie Zukunft darstellen, ist unerheblich: Nach bundesdeutschen Maßstäben erfüllt dieser Streifen nahezu den Straftatbestand der Volksverhetzung.
Radikalinskis ins Kino locken
Was den ansonsten seriösen Autorenfilm-Verleih «Real Fiction» bewogen haben mag, dieses Pracht-Exemplar primitiven Agitprops in sein Programm aufzunehmen, bleibt rätselhaft: falsch verstandene political correctness oder der Versuch, die Radikalinskis unter den in Deutschland lebenden Kurden ins Kino zu locken?
Gleichviel: Wer nicht ohnehin Schutzgelder an die PKK zahlt, wird an «Meş – Lauf!» keine Freude haben. Wenn schon politisch tendenziöse Spielfilme aus der Türkei, dann bitte «Fetih 1453» über die Eroberung von Konstantinopel – diese Mammut-Produktion hat wenigstens Schauwert.