Shiar Abdi

Meş – Lauf!

Xelilo auf den Turm-Zinnen der historischen Stadtmauer der Kurden-Hauptstadt Diyarbakir. Foto: Realfiction
(Kinostart: 24.5.) Als hätte die PKK den Film produziert: Das erste ausschließlich auf Kurdisch gedrehte Drama ist ein holzschnittartiger Agitprop-Streifen hart am Rande der Volksverhetzung – und ästhetisch ärmlich.

Xelilo ist ein Anti-Held an der Schmerzgrenze: Stumm stapft er durch die Straßen der kurdischen Kleinstadt Nuseybin oder tigert hin und her, als litte er unter Hospitalismus. Mit seinen Mitmenschen verständigt er sich nur durch Mundraub: Er nimmt ihnen brennende Zigaretten weg und raucht sie selbst auf.

 

Info

Meş – Lauf!

 

Regie: Shiar Abdi, 88 min., Türkei 2011;
mit: Abdulselam Kilgi (Selamo), Abdullah Ado


Website zum Film + Kino-Liste

Der Idiot der Familie haust in einem leer stehenden Laden; widerwillig kümmern sich seine ärmlich lebenden Angehörigen um ihn. Dann freundet sich der zwölfjährige Cengo mit ihm an und lockt den alten Mann zum Kinder-Treffpunkt unter der Eisenbahn-Brücke, wo sie von nun an gemeinsam die Zeit totschlagen.

 

Gewalt-Orgie türkischer Truppen

 

Bis Xelilo einem türkischen Offizier die Kippe aus dem Mund reißt. Dessen Leibgarde schlägt den Verwirrten zusammen – Auftakt zu einer so brachialen wie willkürlichen Gewalt-Orgie der türkischen Truppen. Die verfolgten Kurden schwören blutige Rache und gehen in den Untergrund.


Offizieller Film-Trailer


 

Appell für bewaffneten Kampf

 

Der erste ausschließlich auf Kurdisch gedrehte Kinofilm spielt 1980. Nach dem Putsch der türkischen Armee in Ankara eskalierte der Guerilla-Krieg der «Kurdischen Arbeiterpartei» (PKK). Den wollten die Generäle mit Repressalien gegen Kurden in der Ost-Türkei entscheiden. Doch ihre Strategie der verbrannten Erde bescherte der stalinistischen PKK nur größeren Zulauf.

 

Erst seit der Inhaftierung von PKK-Führer Abdullah Öcalan 1999 und dem liberaleren Kurs der amtierenden AKP-Regierung, die Kurden mehr Rechte einräumt, flaut die Gewalt ab. Dass Regisseur Shiar Abdi nun an die Anfänge des PKK-Aufstands erinnert, darf man als Appell verstehen, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen.

 

Militär-Sadisten misshandeln arme Kurden

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Fetih 1453 - Die Eroberung von Konstantinopel" von Faruk Aksoy

 

und hier eine Lobes-Hymne auf den Film “Once upon a time in Anatolia” von Nuri Bilge Ceylan

 

und hier eine Besprechung des türkischen Terrorismus-ThrillersLabirent” von Tolga Örnek

Dazu passen die holzschnittartige Handlung und Figuren-Zeichnung: Türkische Militärs sind allesamt brutale Sadisten, denen jeder Vorwand recht ist, um arme Kurden zu misshandeln. Deren Lebenswelt gerät kaum in den Blick; stattdessen füllen tränenreiche Beschwörungen von Solidarität und Kampfgeist die Leinwand.

 

Ob Xelilo symbolisch das Verstummen unterdrückter Kurden und der kleine Cengo die Hoffnung auf eine freie Zukunft darstellen, ist unerheblich: Nach bundesdeutschen Maßstäben erfüllt dieser Streifen nahezu den Straftatbestand der Volksverhetzung.

 

Radikalinskis ins Kino locken

 

Was den ansonsten seriösen Autorenfilm-Verleih «Real Fiction» bewogen haben mag, dieses Pracht-Exemplar primitiven Agitprops in sein Programm aufzunehmen, bleibt rätselhaft: falsch verstandene political correctness oder der Versuch, die Radikalinskis unter den in Deutschland lebenden Kurden ins Kino zu locken?

 

Gleichviel: Wer nicht ohnehin Schutzgelder an die PKK zahlt, wird an «Meş – Lauf!» keine Freude haben. Wenn schon politisch tendenziöse Spielfilme aus der Türkei, dann bitte «Fetih 1453» über die Eroberung von Konstantinopel – diese Mammut-Produktion hat wenigstens Schauwert.