Maryam Keshavarz

Sharayet – Eine Liebe in Teheran

Schönes Haar ist ihnen gegeben: Das Liebes-Paar Shirin (Sarah Kazemy) und Atafeh (Nikool Bosheri). Foto: Edition Salzgeber
(Kinostart: 24.5.) Lesbisches Coming-Out im Mullah-Regime: Regisseurin Keshavarz analysiert brillant die allgegenwärtigen männlichen Überwachungs- und Macht-Strukturen im Iran – Vergewaltigung bleibt straflos.

«Zwei Herzen, die eins sind, reißen Gebirge nieder»: Dieses persische Sprichwort stellt die im Iran geborenen US-Amerikanerin Maryam Kehavarz ihrem Debütfilm voran. Doch so sehr man es ihnen wünscht: Die Herzen der Protagonistinnen können nicht eins werden, und so bleiben die Gebirge an ihrem Platz. Die Menschen dazwischen können nur fliehen, kämpfen oder es erdulden. Ein Film dagegen erreicht weitaus mehr Herzen, und darin liegt die große Hoffnung von «Sharayet».

 

Info

Sharayet –
Eine Liebe in Teheran

 

Regie: Maryam Keshavarz, 105 min., USA/Frankreich/Iran 2010;
mit Nikool Bosheri, Sarah Kazemy, Reza Sixo Safai

 

Kino-Terminliste

Die Heldinnen des Films sind die Schülerinnen Atafeh (Nikool Bosheri) und Shirin (Sarah Kazemy). Atafeh kommt aus wohlhabendem, säkulärem und doch einflussreichem Haus. Shirin dagegen wächst in kleinen Verhältnissen bei Onkel und Großmutter auf – weil ihre Eltern einst wegen Verbreitung «antirevolutionärer» Schriften vom Regime getötet wurden, steht sie unter Dauerverdacht des allgegenwärtigen Überwachungs-Systems.

 

Selbstbestimmte Traum-Welt in Dubai

 

Der kalte Blick durch die Überwachungs-Kamera ist eine wiederkehrende Erzähl-Ebene. Eine andere ist die warm ausgeleuchteten Traum- und Fantasie-Welt der Protagonistinnen, in der sie in Dubai als Sängerin und Managerin selbstbestimmt leben und (sich) lieben können. Diese Träume sind für die Mädchen die einzigen Rückzugs-Räume in einer Gesellschaft, die eifersüchtig über jeden Aspekt ihres Lebens wacht – eine Parallel-Realität, deren Sprache das Kino seit jeher spricht.


Offizieller Film-Trailer


 

Religiöser Bruder führt Untergang herbei

 

Doch der Film ist mehr als eine Liebesgeschichte unter schwierigen Bedingungen. Er erzählt auch von zwei Familien: Die eine ist praktisch vernichtet und abhängig vom Wohlwollen Anderer – weswegen Shirin offenbar schnellstmöglich verheiratet werden soll. Die andere überlebt, privilegiert, aber mit eingezogenem Kopf: anstatt für Politik interessiert man sich für Musik.

 

Für Atafehs Bruder Mehran jedoch ist Musik konnotiert mit der Drogensucht, die er soeben hinter sich gelassen hat, und dem sanften Druck seines Vaters. Den meint Mehran hinter sich zu lassen, als er sich der Religion zuwendet – und damit den Untergang der eigenen Familie in Kauf nimmt.

 

Musik auf vermintem Gelände

 

Die Musik, die auf der Realitäts-Ebene immer von realen Klangquellen wie Gesang, Klavier, Auto-Radio oder Hifi-Anlage stammt, spielt dabei eine aktive Rolle. Immer wieder wird sie kommentiert, zelebriert, semantisch eingesetzt oder neu verhandelt, jedes Mal auf vermintem Gelände. Die Frage, wessen Frau oder Tochter bei einer Feier singen sollte, zeigt in einer der stärksten Szenen des Films, wie die gesellschaftliche Zerrissenheit auch die Familien-Struktur erodieren lässt.