Martin Witz

The Substance: Albert Hofmann’s LSD

Medizinisch überwachter LSD-Versuch in den 1950er Jahren. Foto: mindjazz pictures
(Kinostart: 17.5.) 70 Jahre Acid Trip auf der Leinwand: Wie die halluzinogene Droge entdeckt und vom Militär erforscht wurde, den Summer of Love befeuerte und in der Illegalität versank, schildert eine mustergültige Dokumentation.

Zehntausende Hippies schlafen im Freien

 

Der Harvard-Psychologe Timothy Leary wollte mit ihr das Bewusstsein der gesamten Gesellschaft verändern – weg von destruktiven Tendenzen, hin zu «gesteigerter Intelligenz» als Vorbereitung für die «Auswanderung ins All»: Drogen-Rausch als Freiheits-Utopie.

 

Learys Slogan «Turn on, tune in, drop out!» wurde zur Devise der Hippie-Bewegung. Sie nahm 1967 im summer of love Züge einer Massen-Panik an: Zehntausende zogen nach San Francisco, wo sie im Freien lagerten und schliefen. Die Staatsmacht reagierte harsch: LSD wurde verboten und in die Illegalität abgedrängt; jede ernsthafte Forschung kam zum Erliegen.

 

LSD-Therapie gegen Depressionen

 

Deshalb weiß man über die Substanz heutzutage kaum mehr als Anfang der 1970er Jahre, wie der Film vorführt. Hirnforscher beobachten, dass sie Gehirn-Regionen beeinflusst, die für die Koordination von Sinnes-Organen und Emotionen zuständig sind. Was erklären könnte, warum es unter LSD-Einfluss zu synästhetischen Wahrnehmungen und Halluzinationen aller Art kommt: Sinnes-Reize und Synapsen-Reaktionen werden entkoppelt.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Mythos Goldenes Dreieck" über das südostasiatische Opium-Anbaugebiet im Ethnologischen Museum, Berlin

 

und hier einen Beitrag zum Dokumentarfilm "William S. Burroughs: A Man Within" über den drogensüchtigen Literaten als Underground-Galionsfigur.

Das lässt sich kaum steuern. Dennoch wird LSD punktuell therapeutisch eingesetzt: An der renommierten John Hopkins University in Baltimore behandelt man schwer Depressive, indem man ihnen unter Aufsicht einmalig eine hohe Dosis verabreicht. Etliche Patienten erfahren schlagartig eine dauerhafte Besserung ihres Zustands.

 

Weder künstlich glücklich noch abhängig

 

Ganz im Sinne von Albert Hofmann: Er hat stets zum verantwortungsvollen Umgang mit LSD aufgerufen und scharf kritisiert, dass Leary massenhaften Konsum propagierte. Als Genussmittel taugt der Stoff kaum.

 

Andere Drogen beruhigen, machen künstlich glücklich und dadurch leicht abhängig – LSD nicht. Sein Einfluss auf Wahrnehmung und Empfindung ist zu stark; das kann bei negativer Gemütsverfassung zum Horror-Trip werden und Psychosen auslösen.

 

Nach einem acid trip will niemand den sofort wiederholen – und könnte es auch gar nicht, weil LSD erst nach einer Weile wieder wirkt. Dass maßvolle Einnahme offenbar Gesundheit und Lebenserwartung unbeschadet lässt, zeigt das Beispiel seines Entdeckers: Hofmann starb 2008 im biblischen Alter von 102 Jahren.