Mark S. Hall

Sushi – The Global Catch

Beim Filetieren der Thunfische. Foto: Neue Visionen Filmverleih
(Kinostart: 7.6.) Häppchen aus Reis mit rohem Fisch sind weltweit beliebt – der Boom droht den Blauflossen-Thunfisch auszurotten. Die informative Doku über eine fischige Branche zeigt Alternativen zur Verödung der Ozeane.

Früher waren Foto-Kameras und Autos die Exportschlager Japans, heute sind es Fisch-Häppchen. Sushi und Sashimi, kleine Leckerbissen aus Reis mit rohem Fisch, werden weltweit immer beliebter: Die einstige Delikatesse ist zum Fast-Food-Imbiss geworden. Mittlerweile gibt es Steak-Sushi in Texas und Sushi-Rollen am Stil – der Soja-Sauce enthält. Und in Indien und China kommen Millionen allmählich auf den Fisch-Geschmack.

 

Info

Sushi - The Global Catch

 

Regie: Mark S. Hall, 78 min., USA 2011;
mit: Hirofumo Hambata, Hagen Stehr, Casson Trenor

 

Englische Website zum Film

Sushi ist gesund, weil eiweißreich und fettarm. Doch die köstlichsten Varianten werden mit Blauflossen-Thunfisch zubereitet, einem der größten Raubfische in den Ozeanen. Seitdem die Nachfrage explodiert, schnellt sein Preis in die Höhe, während die Bestände deutlich zurückgegangen sind.

 

Thunfische einzeln angeln

 

Filmemacher Mark S. Hall verfolgt in seiner Doku die Verwertungskette des Rohstoffs, nachdem er aus dem Wasser geholt wurde. Er besucht Fischer im japanischen Küstenort Oma: Sie angeln traditionell einzelne Blauflossen-Thunfische, die sie sofort an Land bringen.


Offizieller Film-Trailer, englisch untertitelt


 

Mehr als 100.000 US-Dollar pro Thunfisch

 

Dadurch bleibt der Geschmack optimal erhalten: Ein bis zu 680 Kilo schwerer Thunfisch aus Oma wird bei täglichen Auktionen auf dem Tsukiji-Fischmarkt in Tokio – dem größten der Welt – für mehr als 100.000 US-Dollar pro Exemplar zugeschlagen. Das hohe Preis-Niveau und die althergebrachte Fang-Methode schonen die Schwärme; in der sechsmonatigen Saison angelt ein Oma-Fischer rund 30 bis 40 Stück.

 

Zu wenig, um den globalen Appetit zu stillen. Riesige Trawler können mit Ring-Netzen bis zu 3000 Tonnen Thunfisch fangen und transportieren. Zwar soll die internationale ICCAT-Kommission Fang-Quoten festlegen und kontrollieren, doch sie steht unter starkem Druck von Lobbyisten – das Akronym ICCAT lösen Spötter mit den Worten auf: «International Conspiracy To Catch All Tuna».

 

Bestände auf ein Fünftel geschrumpft

 

Im Vergleich zu 1950 ist die Zahl der Blauflossen-Thunfische in den Weltmeeren auf ein Fünftel gesunken. Geht der Raubbau unvermindert weiter, wird der «Porsche der Meere» – so nennen ihn Biologen wegen seiner stromlinienförmigen Gestalt und dem hohen Schwimm-Tempo – in spätestens 35 Jahren ausgestorben sein.

 

Für Casson Trenor, Betreiber des Bio-Sushi-Restaurants «Tataki» in San Francisco sind daher Blauflossen tabu: Auf seiner Speisekarte stehen nur Gelbflossen-Thunfisch und Rot-Forellen. Richtig zubereitet, seien diese Arten genauso lecker, versichert er.

 

15 Pfund Sardinen für ein Pfund Thunfisch

 

So würde ein deutscher Dokumentarfilm enden – mit dem flammenden Appell: Finger weg von Blauflossen! Doch Mark S. Hall ist pragmatischer US-Amerikaner; für ihn gibt es eine attraktivere Alternative. Sie besteht nicht in der zurzeit praktizierten Thunfisch-Zucht: Drei bis vier Jahre alte Exemplare werden eingepfercht und bis zum Maximal-Gewicht gemästet.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Kritik des Spielfilms „Schwarzer Ozean“ von Marion Hänsel über französische Atombomben-Versuche im Pazifik

 

und hier eine Lobeshymne auf den Thriller „Bullhead“ von Michaël R. Roskam über die Rinderzucht-Mafia in Belgien.

Für ein Pfund Thunfisch-Fleisch muss man 15 Pfund Sardinen verfüttern – auf diese Weise leeren sich die Meere noch schneller. Versuche, die Blauflossen an Pellets aus pflanzlichen Ölen und Proteinen zu gewöhnen, stecken noch in den Anfängen.

 

Genießen, nicht den Bauch voll schlagen

 

Stattdessen baut der Einwanderer Hagen Stehr in Australien sein Unternehmen «Clean Seas Tuna» auf. Er will mit künstlichen Anreizen den ganzen Lebenszyklus von Thunfischen  steuern, um sie in Gefangenschaft zu züchten. Sein Team hat schon viel erreicht: Als im März 2009 erstmals Blauflossen-Larven schlüpfen, weint Stehr vor Freude – ein großer Moment im Leben eines Fisch-Farmers.

 

Ansonsten plädiert der undogmatisch und besonnen argumentierende Film für Mäßigung. «Es geht nicht darum, keinen Thunfisch mehr zu essen, sondern darum, ihn mehr zu schätzen», sagt Hirofumo Hambata, Vorsitzender der Fischerei-Genossenschaft von Oma: «Man muss sich doch nicht den Bauch voll schlagen; man kann auch kleine Mengen genießen.» In diesem Sinne: Guten Appetit!