Die große Liebe – perfekt, ideal und vollendet. Kann es so etwas überhaupt geben? Sind Menschen mit all ihren Schwächen dazu in der Lage? Ist die Gesellschaft mit ihren zahllosen Normen dafür geschaffen? Wohl kaum. Die große Liebe – das bedeutet oft, große Opfer bringen zu müssen, die ein Leben lang schmerzen.
Info
W.E.
Regie: Madonna, 118 min., USA/ Großbritannien 2012;
mit: Andrea Riseborough, James D’Arcy, Abbie Cornish
Madonnas Regie-Debüt fiel durch
Die ambitionierte Pop-Königin, deren Regie-Debüt «Filth & Wisdom» 2008 bei Kritik und Publikum durchfiel, erzählt ihren neuen Film konsequent aus der Perspektive der bürgerlichen Amerikanerin. Sie erobert in den 1930er Jahren das Herz des blau- und heißblütigen Lebemanns und britischen Kronprinzen Edward.
Offizieller Film-Trailer
Alltag als Spießruten-Lauf
Doch Wallis Simpson (kraftvoll: Andrea Riseborough) bekommt rasch zu spüren, was es damals hieß, als geschiedene Frau einen künftigen König ehelichen zu wollen: Ihr Alltag wird zum Spießruten-Lauf. Familie, Freunde, Öffentlichkeit – alle wenden sich ab. Die Romanze des vereinsamten Paars gerät zur Staats-Affäre: Edward (solide: James D’Arcy) verzichtet im Dezember 1936 auf Macht, Krone und Status.
Aus diesem Abdankungs-Drama macht Madonna eine durchaus berührende Geschichte. Sie schildert Wallis Simpsons Sorgen und Nöte mit großer Empathie für ihre Protagonistin, aber frei von übertriebenem Pathos. Waren die beiden Liebenden in England noch mit Schimpf und Schande konfrontiert, sind es im französischen Exil Einsamkeit und der Verlust der Heimat – das eine so schmerzhaft wie das andere. Sogar die größte Romanze des 20. Jahrhunderts kann das kaum aufwiegen.
Wally Winthrop als Seelen-Verwandte
Dass «W.E.» nicht ins Kitschige abrutscht, verdankt der Film einem kleinen, gleichwohl wirksamen Kniff. Denn Wallis Simpson hat in Wally Winthrop eine seelenverwandte Wiedergängerin. Die junge New Yorkerin fiebert 1998 einer Auktion in Manhattan entgegen, bei der einige Stücke aus dem Nachlass von Edward und Wallis versteigert werden sollen.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine kultiversum-Lobeshymne auf den oscar-prämierten Film "The King's Speech - Die Rede des Königs" von Tom Hooper mit Colin Firth als George VI.
Träumen ist erlaubt
Sie hat ihren Beruf aufgegeben für einen wohlhabenden Mann, der sie betrügt und schlägt. Verzweifelt vertieft sich Wally in die Lebens-Geschichte jener Frau, nach der ihre Eltern sie benannt haben. Bis sie dem Charme des Wachmanns Evgeni (etwas steif: Oscar Isaac) erliegt.
Das mag nach viel Herz und noch mehr Schmerz klingen. Doch «W.E.» gelingt es – trotz aller Melodramatik – nicht ins Klebrig-Süßliche abzugleiten. Die große, perfekte Liebe mag eine unerfüllbare Sehnsucht sein; doch träumen darf man schon von ihr.