Sylvain Estibal

Das Schwein von Gaza

Ein Killer-Schwein im Auftrag des Herrn: Um den Verdacht der Islamisten zu zerstreuen, er mache mit Israelis gemeinsame Sache, dreht Jafaar (Sasson Gabay) ein Bekenner-Video als Selbstmord-Attentäter. Foto: Alamode Filmverleih
(Kinostart: 2.8.) Mit einem Schwein im Schlepptau durch den Gaza-Streifen: Ein palästinensischer Fischer erlebt den Nahost-Konflikt als alptraumhafte Odyssee. Die inszeniert Sylvain Estibal als absurde Tragikomödie.

Freiluft-Gefängnis Gaza-Streifen: Die israelische Besatzungs-Macht begrenzt den Aktions-Radius der Palästinenser auch auf dem Meer. Maximal vier Meilen darf der palästinensische Fischer Jafaar (Sasson Gabay, arabischer Israeli) aufs Meer hinaus fahren.

 

Info

Das Schwein von Gaza

 

Regie: Sylvain Estibal, 98 min., Frankreich/ Deutschland 2011;
mit: Sasson Gabay, Baya Belal, Myriam Tekaïa

 

Website zum Film

Zu wenig, um einen großen Fang zu machen: Er kehrt meist nur mit Unrat und einer Handvoll kleiner Fische zurück. Die ganze Welt ist gegen Jafaar: Andere Fischer machen sich über ihn lustig; die Polizei droht ihm wegen nicht bezahlter Schulden mit Gefängnis, und Soldaten weisen ihn an der Grenze ab.

 

Soldaten auf dem Dach stationiert

 

Der Film ist gespickt mit Anspielungen auf das Eingesperrt-Sein im Gaza-Streifen. Nicht einmal im eigenen Haus kann sich Jafaar frei bewegen: Zwei israelische Soldaten haben auf dem Haus-Dach Posten bezogen, um israelische Siedler zu schützen. Sie benutzen sogar die Toilette von Jafaars Haus.


Offizieller Film-Trailer


 

Kein Schwein kauft Jafaars Schwein

 

Jafaars Frau Fatima (Baya Belal) nimmt es gelassen. Gemeinsam mit einem Soldaten sieht sie sich im Fernsehen eine brasilianische Telenovela an. Der Soldat hat Heimweh und erzählt, am liebsten würde er nach Tel Aviv zurückkehren, um ein Restaurant zu eröffnen. Fatima entgegnet: «Wir wollen auch nicht, dass ihr bleibt».

 

Zu allem Übel geht auch noch ein vietnamesisches Hängebauch-Schwein in Jafaars Fischer-Netz. Töten kann er es nicht, und Verkaufsversuche schlagen fehl. Nicht einmal der deutsche UN-Beamte Herr Schauerland (Ulrich Tukur) möchte ein lebendes Schwein erwerben. In solchen Momenten erinnert Jafaar an Charlie Chaplin: Er ist eigentlich machtlos, wächst aber über sich hinaus.

 

Sperma-Gewinnung mit Miss Piggy

 

Ihm kommt zu Ohren, dass jüdische Siedler Schweine züchten. Am Siedlungs-Zaun kommt er mit Yelena (Myriam Tekaïa, Tunesierin) ins Geschäft: Die russisch-jüdische Immigrantin benötigt nur das Sperma von Jafaars Eber.

 

Mit Viagra und Bildern von hübschen Schweinedamen wie Miss Piggy gelingt es dem Fischer, dem Eber sein Sperma zu entlocken. Auf dem Weg zu Yelena wird er von einem israelischen Soldaten abgefangen. Jafaar gibt vor, ein Mittel gegen Rheuma zu transportieren. Der an Rücken-Problemen leidende Soldat kostet einen Schluck – siehe da, es wirkt!

 

Vor dem Betreten Socken anziehen

 

Yelena ist aber mit dem Sperma unzufrieden und möchte den ganzen Eber haben – nur wie? Damit das unreine Tier weder israelischen noch palästinensischen Boden besudelt, muss es Socken anziehen.

 

Dann erfährt Jafaar von seiner Frau, dass die Siedler Schweine nur züchten, damit sie Sprengstoff aufspüren. Nun verdächtigen Fundamentalisten den Fischer, mit den Israelis zu kollaborieren. In seiner Not behauptet Jafaar, er wolle einen Anschlag auf die Siedler verüben – und wird unfreiwillig zum Selbstmord-Attentäter.

 

Sprengstoff-Anschlag im Schafs-Pelz

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung der Doku "Cinema Jenin" von Marcus Vetter über die Restaurierung eines palästinensischen Kinos

 

und hier einen Beitrag über die libanesische Toleranz-Tragikomödie “Wer weiß, wohin?” von Nadine Labaki

 

und hier eine Lobes-Hymne auf den israelischen Film “Die Reise des Personalmanagers” von Eran Riklis.

Er umgürtet das Schwein mit Sprengstoff, hüllt es in einen Schafspelz und führt es zur Siedlung. Glücklicherweise überleben alle den Bomben-Anschlag und fliehen aufs Meer. Nach einer langen Nacht auf offener See erreichen die Flüchtlinge eine verheißungsvolle Küste, die dem Strand von Tel Aviv verdächtig ähnlich erscheint.

 

Indem er seine Fabel aus lauter surrealen Elementen zusammensetzt, spiegelt der französische Regisseur Sylvain Estibal die Absurdität des Nahost-Konflikts – die er mit groteskem Witz denunziert. Allerdings schenkt er nicht allen Seiten gleichermaßen Aufmerksamkeit: Jüdische  Siedler werden nur von außen betrachtet. In Jafaars Perspektive bleiben sie Schemen hinter dem Siedlungs-Zaun oder treten als Soldaten auf. Ihr Alltagsleben bleibt unsichtbar.

 

Absurde Friedens-Botschaft

 

Nichtsdestoweniger bleibt die Komik des Films unparteiisch: Niemand wird angegriffen, und keiner wird verschont. Der schlichte Wunsch nach normalem Zusammenleben erscheint nach jahrzehntelangem Konflikt und allseits festgefahrenen Positionen als absurde Friedens-Botschaft.