Oliver Hardt

The United States of Hoodoo

Wie bei Hempels unterm Sofa: Kollektion von Voodoo-Accessoires. Foto: © Stoked Film Produktion
(Kinostart: 26.7.) Voodoo-Praktiken, die auf die westafrikanische Yoruba-Religion zurückgehen, finden sich beiderseits des Atlantiks. Diese Doku spürt ihnen im Süden der USA nach – und kratzt dabei nur an der Oberfläche.

Die Götter der westafrikanischen Yoruba-Religion haben einen weiten Weg zurückgelegt. Ihnen gewidmeten Geschichten und Rituale finden sich auf beiden Seiten des Atlantiks: In Benin als Vodun, in Brasilien als Candomblé, auf Kuba als Santeria, auf Haiti als Voodoo, und in Louisiana auch als Hoodoo.

 

Info

 

The United States of Hoodoo

 

Regie: Oliver Hardt, 100 min., Deutschland 2012;
mit: Darius James, Ishmael Reed, Nick Cave

 

Weitere Informationen

 

Auf vielfältige Weise angepasst an ihre neue Umgebung, bilden die Yoruba-Götter eine Konstante in der Erfahrungs-Welt der afro-amerikanischen Diaspora – und sind dennoch seltsam unsichtbar geblieben. Warum das so ist, und was Voodoo (im Film: Hoodoo) mit der Gegenwart und ihm selbst zu tun hat, fragte sich der Schriftsteller Darius James am Beginn seines zweiten gemeinsamen Filmprojekts mit Oliver Hardt.

 

Bis vor kurzem ein Berliner

 

James wohnte bis vor kurzem in Berlin. Hier bereicherte er die Pop-Intelligenz-Szene mit mal präzisen, mal eingetrübten Beobachtungen und veröffentlichte mehrere lesenswerte, zweisprachige Bücher beim «Verbrecher-Verlag». Der Tod seines Vaters führte ihn zurück in die USA – und afrikanische Masken in dessen Haus auf die Spur des Hoodoo.


The United States of Hoodoo, vollständiger Film


 

Frage nach Voodoo ist des Teufels

 

Er beginnt mit seiner Spuren-Suche in New York. Dort führen ihn die Musikerin Val Jeanty und die Lehrerin Kanene Holder in die Materie ein und vermitteln Basiswissen, etwa über die Figur des Trickster-Gottes Papa Legba.

 

Dann reist James nach New Orleans, wo das Herz des US-amerikanischen Hoodoo schlägt. Allerdings im Verborgenen, denn im US-amerikanischen Süden sind die Leute, wie James feststellt, mehrheitlich fromme Kirchgänger: Seine Fragen nach Hoodoo sind für sie gleichbedeutend mit der nach dem Teufel.

 

Priesterin bespritzt Initiierte mit Rum

 

Nach einem Baumwoll-Museum, in dem lauter Weiße den Geburtstag des 1938 verstorbenen Blues-Sängers Robert Johnson feiern, besucht James die Priesterin Sally Ann Glassman. Sie ist sehr eloquent und sympathisch, doch ebenfalls Weiße; so wie viele Initiierte in ihrem Tempel, in dem James sich dann auch konsequenterweise mit Rum bespritzen lässt. Darauf geht der Film nicht weiter ein.

 

Stattdessen geht James’ Reise weiter zu Künstlern wie Nick Cave (nicht verwandt mit dem New-Wave-Sänger) und James’ Mentor Ishmael Reed. Er betrachtet die Yoruba-Religion pragmatisch modern: In ihrer Fähigkeit zur Anpassung und Improvisation habe sie die Grundlagen schwarzer Kultur-Techniken in Amerika gelegt und sollte allein deswegen erinnert werden.

 

second hand culture im new age look

 

James räumt ein, er habe kaum an der Oberfläche gekratzt. In der Tat: Voodoo als Kultur-Praxis, als «authentische Erfahrung», wie sie die Film-Regisseurin Maya Deren oder der Schriftsteller Hubert Fichte gesucht und gefunden haben, kommt in diesem Film kaum vor.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Besprechung der kubanischen Zombiefilm-Parodie "Juan of the Dead" von Alejandro Brugués

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Vodou – Kunst und Kult aus Haiti" im Übersee-Museum, Bremen.

 

Stattdessen entsteht der Eindruck, Hoodoo sei in den USA längst eine second hand culture: Die Zeremonien im Tempel von Sally Ann Glassman erinnern eher an ein New-Age-Seminar. Auch die Akademiker- und Künstler-Freunde von Darius James haben sich Voodoo als Teil ihrer Identität theoretisch angeeignet und tauschen sich nun – mal mehr, mal weniger informativ – darüber aus.

 

Unterforderung durch Unschärfen

 

James’ Interview-Stil ist dabei häufig wenig produktiv; er erzählt zu oft von sich, anstatt einfach zuzuhören. Offenbar stand Regisseur Hardt einfach zu wenig Material zur Verfügung stand, um das Thema tatsächlich am Schopf zu packen oder wesentliche Dinge deutlich beim Namen zu nennen.

 

So wird der Zuschauer streckenweise unterfordert. Dieser Eindruck wird durch einige Unschärfen in der Untertitelung verstärkt. Zwar ist James’ eigene, spirituelle Reise am Ende des Films abgeschlossen; dennoch resümiert er treffend: Der Film kratzt allenfalls an der Oberfläche.