Hannover

Made in Germany Zwei – Internationale Kunst in Deutschland

Zimmer-Springbrunnen aus dem Asia-Deko-Shop in der kestnergesellschaft - Keller / Kosmas: World Community Grid Water Features, 2012, Installationsansicht; Courtesy Kraupa-Tuskany, Berlin. Foto: Raimund Zakowski
Megaloman wie die documenta, dürftig wie Berlin-Biennalen oder «Based in Berlin» 2011: Die Mammut-Schau von drei Häusern mit «Internationaler Kunst in Deutschland» führt den Zynismus des Kunstbetriebs in der Spektakel-Gesellschaft vor.

Makaber morbide Hirngespinste

 

Am ärgsten reizt Reynold Reynolds das Potential von Kunst zur Simulation aus: Im Sprengel Museum zeigt er überbordende Kulissen, in denen 1930 der Horror-Streifen «Die Verlorenen» gedreht worden sein soll. In der kestnergesellschaft stopft er eine ganze Raumflucht mit Requisiten und storyboards voll, die dabei Verwendung gefunden hätten; zudem sind kurze Film-Szenen im Ufa-Look zu sehen. Allein: Den Film «The Lost» gibt es nicht – alles fake.

 

Hätte, könnte, wäre – wenn Kunstwerke nur Hirngespinsten entspringen und sie fort spinnen,  entbehren sie jeder Relevanz. Oder entgleiten ins makaber Morbide: Dirk Dietrich Hennig baut eine komplette Holzhütte samt Einrichtung und fälscht Magazin-Titelseiten wie Kunst-Lexika. Er will die Vita des Fluxus-Künstlers Jean Guillaume Ferrée dokumentieren, der 1974 Selbstmord begangen habe. Unsinn: Ferrée hat nie gelebt, konnte somit auch nicht sterben.


Impressionen der Ausstellung im Sprengel Museum


 

Das Geld ist da und muss weg

 

Dieser Rückzug ins Wolkenkuckucksheim ist typisch für Nachwuchs-Künstler, denen schlicht handwerkliches Können, Bildung und Lebenserfahrung fehlt, um mehr als Nabelschau zu betreiben. «An entire generation that has nothing to say», besang schon die Neo-Rock-Band «The Strokes» 2001 auf ihrem Debüt-Album «Is this it?» ihre Altersgenossen: die Kinder von Spiele-Konsolen und Smartphones.

 

Was den Kuratoren ihre Aufgabe erleichtert: Sie kaufen die üblichen Verdächtigen ein, die bei namhaften Galeristen unter Vertrag sind, und schütten sie mit Arbeits-Stipendien zu. Das Geld ist da und muss weg.

 

In der Ausstellung wie auf dem Rummelplatz

 

Derweil freut sich das Publikum über leicht konsumierbare Freizeit-Vergnügen: Besucher solcher Groß-Ausstellungen schlendern meist hindurch wie über Rummelplätze. Sie gönnen jedem Werk nur kurze Blicke, weil sie sofort erkennen, dass mehr Aufmerksamkeit nicht lohnt: Das könnte unser Kind auch, hätte es so viel Taschengeld.

 

Der Katalog wird allenfalls gekauft, um ihn daheim als Staubfänger ins Regal zu stellen – als Status-Symbol des Infotainment-Zeitalters: Seht her, wir waren da, sind also keine Banausen!

 

Alle sind zufrieden

 

Lesen Sie hier alle Beiträge zur dOCUMENTA (13) bei Kunst+Film

 

und hier eine Kritik der 7. Berlin-Biennale

 

und hier einen Beitrag über die Schau "Based in Berlin" mit Werken von 80 in Berlin lebenden Nachwuchs-Künstlern an fünf Ausstellungs-Orten.

So integriert sich der Kunst-Betrieb geschmeidig in die Spaß-Gesellschaft mit ihrer Sucht nach stets neuen, aber keinesfalls anstrengenden Reizen. Womit alle zufrieden sind: die Sponsoren, weil ihr Mäzenatentum den Marken-Namen aufwertet. Die Macher, weil wachsende Besucher-Zahlen bei kommenden Budget-Verhandlungen Trumpf sind.

 

Die Künstler, weil sie im Karussell der Eitelkeiten immer höher und weiter fliegen. Die regionale Wirtschaft, weil Kultur-Tourismus Einnahmen bringt. Und das Publikum, weil alles schön bunt und abwechslungsreich ist. Auf der Strecke bleibt nur Kunst, die ihren Namen verdiente – als Medium kreativer Weltbefragung und Selbstvergewisserung.

 

Wachpersonal schlägt Kasernenhof-Ton an

 

In einer Hinsicht macht «Made in Germany Zwei» jedoch seinem volltönenden Namen alle Ehre: Im Sprengel Museum beaufsichtigen Rudel von Aufpassern 65+ die Räume und verlangen alle paar Minuten, die Eintrittskarte vorzuzeigen.

 

Während die Damen wenigstens höflich bleiben, schlagen rüstige Rentner dabei einen kernigen Kasernenhof-Ton an, der an die unseligsten Zeiten der deutschen Geschichte gemahnt. So pflegt das Wachpersonal eine Tradition, für die unsereins weltweit berühmt-berüchtigt ist: «Made in Germany» bleibt in Hannover ein Qualitäts-Siegel aus deutschen Landen.