Ridley Scott

Prometheus – Dunkle Zeichen

Dieser Giganten-Kopf flößt nicht unbedingt Vertrauen ein: Prometheus en face. Foto: 20th Century Fox
(Kinostart: 9.8.) Rückkehr der Aliens: Drei Jahrzehnte nach seinem stilbildenden Kassenschlager legt Regisseur Ridley Scott einen neuen Science-Fiction-Film vor. Dabei geht seine visionäre Ästhetik in Budenzauber und Selbstzitaten unter.

Der Erwartungsdruck ist ungeheuer. Und zu Beginn sieht es so aus, als würde Ridley Scott liefern: «Prometheus» ist ein Ereignis. Mit seinem ersten Science-Fiction-Film seit «Blade Runner» (1982) kehrt Scott zum «Alien»-Topos zurück: Der gleichnamige Kassenschlager von 1979 trat eine Welle ähnlicher Filme los.

 

Info

Prometheus -
Dunkle Zeichen

 

Regie: Ridley Scott, 124 min., USA 2012;
mit: Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron

 

Website zum Film

Dabei deklinierten andere Regisseure wie James Cameron, David Fincher oder Jean-Pierre Jeunet das Thema mehr oder weniger kunstvoll durch, bis es zum Label für drittklassige B-Movies verkommen war. Nun hat Ridley Scott das Ruder wieder übernommen und einen Neustart gewagt, der seiner berühmtesten Schöpfung seine Würde zurückgeben soll.

 

Prometheus begeht Ritual-Selbstmord

 

Entsprechend eindrucksvoll fällt der Anfang aus: Die Kamera fliegt über eine unwirtlich zerklüftete, durch den 3D-Effekt metaphysisch überhöht wirkende Landschaft und landet bei einem muskulösen Humanoiden. Dieser Proto- oder Übermensch ist vermutlich Prometheus selbst. Doch nachdem die Gestalt in einer Art rituellem Selbstmord ihre DNA dem reißenden Fluss übergeben hat, schaltet der Film zurück auf Standard.


Offizieller Film-Trailer


 

Alles ist offensichtlich

 

In Island finden Forscher ein fehlendes Puzzle-Teil zu einer interstellaren Schatzkarte. Ominöse Geldgeber rüsten eine Expedition aus; in einem fliegenden Raumschiff erwacht das Team aus künstlichem Schlaf. Mit an Bord ist Noomi Rapace, die von «Alien»-Hauptdarstellerin Sigourney Weaver offenbar die Rolle der starken Frau geerbt hat. Das wird zum Problem des Films: Alles ist offensichtlich.

 

Ein von Michael Fassbender nach dem Vorbild Lawrence von Arabiens angelegter Android führt offensichtlich etwas im Schilde. Das Raumschiff-Team hätte T-Shirts mit dem Schriftzug «Opfer» überziehen können, so deutlich steht ihnen ihr baldiges Ableben ins Gesicht geschrieben. Sobald der Bodentrupp unterwegs ist, tölpeln und taumeln diese hochspezialisierten Profis in alle offensichtlichen Fallen und werden, ehe man sich ihre Gesichter einprägen kann, Alien-Futter.

 

Noomi Rapace zieht sich aus

 

So geht es weiter entlang der von Scott selbst gesetzten Genre-Standards. Die von ihm gerufenen Geister wird der Prophet nicht mehr los: Natürlich muss der Kopf des Androiden irgendwann vom Rumpf getrennt werden. Natürlich muss sich Noomi Rapace zwischendurch hyperventilierend bis auf den Schlüpfer ausziehen.

 

Natürlich gibt es am Ende nur eine Überlebende. Die Anderen haben sich mit durchschnittlich zwei Dialogzeilen in ihr Schicksal gefügt und sind mit großem Getöse untergegangen. Der thrill hat zu diesem Zeitpunkt schon längst das Kino verlassen.

 

Natürlich wird es eine Fortsetzung geben und mit Sicherheit auch einen director’s cut: Unter der Latex-Maske eines reichen alten Auftraggebers auf der Suche nach Unsterblichkeit steckt offensichtlich ein bekannter Schauspieler um die 40 – der wird beim sequel gewiss mit von der Partie sein.

 

Schräglage zwischen Metaphysik und blockbuster

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Kritik der Nazi-Science-Fiction-Komödie "Iron Sky" von Timo Vuorensola mit Udo Kier

 

und hier eine Besprechung der Apokalypse-Allegorie "Das Turiner Pferd" von Béla Tarr

 

und hier einen Beitrag über das Weltuntergangs-Epos "Melancholia" von Lars von Trier mit Kirsten Dunst.

Doch beim Balancieren zwischen metaphysischem Ehrgeiz – wo kommen wir her, wo gehen wir hin, sind wir mit den Aliens verwandt? – und dem atemlosen Einlösen aller Erwartungen an den blockbuster der Saison ist der Film in eine arge Schräglage geraten. Zudem schuldet Scott den Fans von Charlize Theron eine angedeutete, aber dann offensichtlich aus Zeitmangel nicht ausgeführte Sex-Szene.

 

Scott schwebte offensichtlich etwas wie ein «2001: Odyssee im Weltraum» für das 21. Jahrhundert vor: Die Kompromisslosigkeit, mit der Regisseur Stanley Kubrick einst seine Visionen durchsetzen konnte, fehlt ihm jedoch. Da wirkt die Ausstattung im Stil des Science-Fiction-Künstlers HR Giger, der «Alien» designte,  wie das Relikt einer untergegangenen Epoche, die Scott allerdings recht elegant ins prachtvolle 3D-Universum integriert.

 

Sehnsucht nach dem jungen Ridley Scott

 

Eine Menge Budenzauber und Selbstreferentialität ist alles, was nach zwei hektischen Stunden auf der Leinwand übrig bleibt. Und die Sehnsucht nach einer kommerziell unverbauten Vision eines neuen Talents, das ebenso kreativ und anregend inszenieren kann wie der junge Ridley Scott.