Rudolf Thome

Frauen interessieren mich besonders

Rudolf Thome im Interview. Foto: ohe
«Ins Blaue» ist der 28. Film von Rudolf Thome in 44 Jahren – in fast allen geht es um die Liebe. Ein Gespräch über starke Frauen-Figuren, ideal beschwingtes Kino ohne Aussagen und Schwarm-Intelligenz als Arbeits-Prinzip.

Zuschauer-Briefe von Psychoanalytikern

 

Ich finde das Gegenteil: Will ich Kaugummi, muss ich nur die Glotze anschalten und mir die Dutzendware nach Schema F anschauen, die auf 30 Kanälen läuft. Wenn ich aber einen Thome-Film sehe, betrete ich ein Märchen-Reich. Dort sagen gewöhnliche Männer und Frauen Sätze, die ich in der Wirklichkeit nie höre. Sie schreiben ihre Drehbücher einfach herunter: Geben Sie damit ihnen unterbewusst den Thome-Touch?

 

Mit Sicherheit, seitdem ich meine Drehbücher selbst schreibe. Was ich in 28 Tagen tue, ohne groß darüber nachzudenken. Als mein Film «Der Philosoph» 1988 im Kino lief, bekam ich viele Briefe von Psychoanalytikern, die Spuren des Unbewussten darin fanden.

 

Keine Angst vor Männerfantasie-Vorwürfen

 

Kein anderer deutscher Regisseur lässt Philosophie so selbstverständlich in seine Filme einfließen wie Sie. Damit heben Sie die Distanz zwischen akademischem Denken und Dasein auf – solche Versuche, das eigene Leben zu reflektieren, kommen ansonsten im hiesigen Kino kaum vor. Machen Sie Filme über die Welt, in der sie gerne leben würden?

 

Das weiß ich nicht. In vielen meiner Filme geht es um einen Mann und mehrere Frauen. Manche Frauen halten mir vor, das seien Männer-Fantasien. Da ich aber nicht darüber nachdenke und mich nicht bremse, habe ich auch keine Angst vor solchen Vorwürfen. Ich war immer der Meinung: Mit einer Frau zusammen zu leben, ist schon schwer genug – umso komplizierter wäre es mit mehreren Frauen.

 

Ich bin ein Computer-Freak

 

Sie arbeiten auf eine sehr eigenwillige Weise: Sie hängen nicht an diversen Förder-Töpfen. Abgesehen von der ARD-Produktionsfirma Degeto, die lange ihre Filme finanziert hat, machen Sie so viel wie möglich selbst. Dabei tauchen neue Technologien in ihren Filmen sofort auf – warum?

 

Ich bin ein Computer-Freak. 1982/83 habe ich den Film «System ohne Schatten» über einen Computer-Bankraub gedreht; damals ließ ich mir vom Siemens-Chefinformatiker erklären, wie das technisch möglich wäre. Dazu benutzte er ein Modem, auf das man einen Telefon-Hörer legen musste: Daten-Übertragung dauerte noch endlos lange.

 

Als die ersten Spiele-Computer auf den Markt kamen, kaufte ich mir einen Atari, wenig später einen Apple Macintosh. Seit 1997 habe ich eine Homepage; zwei Jahre darauf schrieb ich zu den Dreharbeiten von «Paradiso» meinen ersten Blog.

 

Mit einem Handschlag Projekte besiegeln

 

Die Medienlandschaft wandelt sich rasch: auf der einen Seite ein Konzentrations-Prozess hin zu immer größeren Konglomeraten, auf der anderen Seite die anarchische Welt der Internet-Publikationen. Ist Ihre Do-it-yourself-Methode ein Modell für die Zukunft?

 

Ich habe von Anfang an so gearbeitet. Ich dürfte der einzige deutsche Regisseur sein, dessen Projekte früher von richtigen Produzenten aus ihrer Brieftasche finanziert wurden – ohne jede Filmförderung. Bei Männern wie Joe Levine war mit einem Handschlag alles geritzt, ohne 200-seitige Verträge.

 

Mir war aber immer wichtig, der ausführende Produzent zu sein: Ich wollte die Kontrolle über das Finanzielle haben. Werden Gagen nicht gezahlt, schadet das dem Betriebsklima am Set – und dann wird meine Arbeit schwierig.

 

Mehr Leute haben mehr Ideen

 

Sie bezeichnen sich als «demokratischen Regisseur», der seinen Schauspielern das Drehbuch gibt und sie fragt: «Wie wollt Ihr es machen?». Kommt der Thome-Touch durch eine Ensemble-Leistung zustande? In großen Studios tanzen Dutzende von Untergebenen  um den Regisseur herum, um seine Vision zu verwirklichen.

 

Diese Regisseure haben eben eine Vision – ich habe keine (lacht)! Es ist ganz logisch: Viele Leute haben mehr Ideen, als ich als Einzelner haben kann. Mein Arbeitsprinzip ist, sie zu fragen, wie sie es machen würden – und dann sage ich ja oder nein. Aber ich mache kein brainstorming, bei denen 15 Leute mitreden. Ich hasse meetings: Dort wollen die meisten Leute quatschen, um sich zu selbst darzustellen.

 

Filme drehen, solange es Menschen glücklich macht

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ins Blaue" mit Vadim Glowna.

«Ins Blaue» hat Züge eines Rückblicks auf ein Lebenswerk. An einer Stelle sagt Vadim Glowna: «Alle meine Filme sind realisierte Träume». Das könnten Sie auch sagen. Doch der Film endet tragisch, was untypisch für Sie ist: Nike verflucht ihren Vater, und er verschwindet. Wie lange wollen Sie noch Filme machen?   

 

Wenn man 73 Jahre alt ist, muss man darüber nachdenken. Als ich das Drehbuch schrieb, ging es mir miserabel, und ich hatte Suizid-Gedanken: Das könnte mein letzter Film sein. Doch danach veränderte sich mein Leben schlagartig – ich habe mich frisch verliebt.

 

Es war, wie ich einmal den idealen Film definiert habe: Man kommt aus dem Kino und läuft beschwingt über die Straße. So erging es mir nach allen frühen Filmen von Godard, der mich damit mehr geprägt hat als jeder andere Regisseur. Also: Solange es Menschen glücklich macht, Filme von Rudolf Thome anzusehen, drehe ich weiter.