dOCUMENTA (13)

Rundgang durch den Hauptbahnhof

Teil-Ansicht der Installation "The Sewing Room" von István Csákány im Nord-Flügel des Hauptbahnhofs: Nähmaschinen und Bügel-Automaten aus Holz, dazu Modelle von Herren-Anzügen. Foto: ohe
Vom Warenumschlag- zum Schuttablade-Platz: Im heutigen Kultur-Bahnhof wird ein Sammelsurium von Werken gezeigt, das seine wechselvolle Geschichte widerspiegelt. Leer stehende Lager-Hallen beherbergen aufwändig inszenierte Beiträge.

Kein Ausstellungs-Ort der documenta hat eine so wechselvolle Geschichte hinter sich wie der Hauptbahnhof. Nach der Fertigstellung 1856 war er einer der prächtigsten deutschen Kopf-Bahnhöfe: Architekt Gottlob Engelhard schmückte ihn reich mit klassizistischem Dekor aus.

 

Info

dOCUMENTA (13)

 

09.06.2012 – 16.09.2012
täglich 10 bis 20 Uhr an 26 Standorten in Kassel

 

Katalog 24 €,
Begleitband 68 €

 

Website zur Ausstellung

Davon ist nichts mehr zu sehen: Im Zweiten Weltkrieg brannte der Bahnhof nach Bomben-Treffern aus. Beim Wiederaufbau bis 1960 erhielt er eine nüchtern funktionalistische Fassade. Ähnlich wie die meist schäbigen Gebäude, die seinen Vorplatz säumen: Die Gegend war lange übel beleumundet.

 

RegioTram verbindet Kassel mit Umland

 

Erst eine Teil-Stilllegung ermöglichte seine Renaissance: 1991 wurde der Fernverkehr zum ICE-Bahnhof Wilhelmshöhe verlegt. In frei gewordene Gebäude-Flügel zogen das Club-Restaurant «Gleis 1», die «Caricatura»-Galerie für komische Kunst und das «Bali»-Programmkino ein: Nun nennt er sich stolz «Kulturbahnhof». Seit 2007 fahren hier auch die Züge der «RegioTram» ab: Sie verbinden Kassels Zentrum mit Kleinstädten im Umland.

Impressionen der Ausstellung im Hauptbahnhof


 

Benutzer von Multimedia-Kunstwerk irren umher

 

Obacht beim Betreten der Bahnhofs-Halle: Sollten Ihnen irrlichternde Passanten begegnen, dürfte es sich um Opfer des Multimedia-Kunstwerks «Alter Bahnhof Video Walk» von Janet Cardiff & George Miller handeln. Den Benutzern werden per Smartphone und Kopfhörer verwirrende Bild- und Ton-Signale vorgespielt – am besten weicht man ihnen aus.

 

Der Rundgang beginnt im lang gestreckten Nordflügel. Bis Ende der 1970er Jahre herrschte hier geschäftiges Treiben: Kassel war ein wichtiger Umschlag-Platz für Bahn-Frachtgut. Nun stehen die weiträumigen Hallen leer – und bieten viel Spielraum für documenta-Künstler.

 

Künstlerpaar-Museum + TV-Show-Erdhügel

 

Im ehemaligen ZNL-Bürogebäude richten Haris Epaminonda und Daniel Gustav Cramer ein temporäres Museum ein. Das zyprisch-deutsche Künstler-Paar zeigt allerlei Fundstücke: Bilder aus Zeitschriften und Büchern, verschwommene Video-Schnipsel, kleine Objekte sowie auf dem Dachboden drei große schwarze Kugeln – eine undurchsichtige Zusammenstellung.

 

In der anschließenden Halle hat der US-Amerikaner Michael Portnoy einen Erdhügel aufgeschüttet und in Kegelform ausgehöhlt. Eine Treppe erlaubt den Blick ins Innere: Dort stehen kryptische Figuren, wie Gäste einer TV-Show angeordnet. Dazu ertönen Dialoge, die an das Frage-Antwort-Ritual bei Quiz-Spielen erinnern – gelegentlich auch live inszeniert.

 

Sweat shop als monumentale Bastel-Arbeit

 

Der nächste Saal beherbergt eine monumentale Bastel-Arbeit: Der Ungar István Csárkány liefert mit «The Sewing Room» die Kopie eines sweat shops ab. Arbeitsplätze, Nähmaschinen und Bügel-Automaten sind originalgetreu aus Holz nachmodelliert. Daneben tragen kopflose Kleider-Puppen die Erzeugnisse: Herren-Anzüge aus Billig-Stoff, der edel aussehen soll.