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Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie

Karl Friedrich Schinkel: Mittelalterliche Stadt an einem Fluss, 1815. Foto: bpk / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders
Der große Inszenator: Schinkel war nicht nur Preußens Meister-Architekt. Als Theater-Maler, Innenausstatter und Designer gestaltete er die gesamte Lebenswelt. Die Schau im Kulturforum zeigt ihn als "enthusiastischen Weltverschönerer".

Ohne Karl Friedrich Schinkel (1781 – 1841) ist Berlins Zentrum überhaupt nicht vorstellbar. Altes Museum, Neue Wache, Schlossbrücke, Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, Friedrichswerdersche Kirche und Bauakademie – viele der Bauten, die das Stadtbild prägen, hat Schinkel entworfen.

 

Info

Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie

 

07.09.2012 - 06.01.2013
täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, am Wochenende ab 11 Uhr im Kulturforum, Matthäikirchplatz, Berlin

 

Katalog 25 €

 

10.02.2013 - 12.05.2013
täglich 10 bis 20 Uhr in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstr. 8, München

 

Weitere Informationen

Ebenso Schloss Glienicke und Babelsberg am Stadtrand, Schloss Charlottenhof und die Nicolaikirche in Potsdam sowie etliche Gebäude und Denkmäler in ganz Deutschland: Eine Karte am Ausstellungs-Eingang führt 71 Städte auf, in denen Schinkel-Bauten stehen – vom Niederrhein bis Ostpreußen. So flächendeckend hat kein anderer Architekt gewirkt.

 

Repräsentations-Bauten für Großmacht

 

Er war zur rechten Zeit am richtigen Ort: Nach den Stein-/Hardenbergschen Reformen und den Befreiungskriegen wurde Preußen wieder zur europäischen Großmacht. Das florierende Königreich mit rasch wachsender Bevölkerung stattete Schinkel mit passenden Repräsentations-Bauten aus – von der Hauptstadt bis in die Provinz.


Interview mit Kurator Heinrich Schulze Altcappenberg und Impressionen der Ausstellung


 

Mehr Künstler als Baumeister

 

Ab 1815 als Oberbaurat und ab 1830 als Hof-Architekt war er die höchste Instanz bei allen Bau-Vorhaben: ein bienenfleißiger Spitzen-Beamter, der nichts dem Zufall überließ und vom Grundriss bis zur Türklinke alles selbst entwarf. So hat ihn die Nachwelt in Erinnerung: Als Vollender eines nüchternen Klassizismus, der Preußens Blütezeit in Stein meißeln ließ – mit griechischen Tempel-Fassaden und antikem Dekor.

 

Dieses Bild ist arg verzerrt, zeigt eine große Gedenk-Ausstellung zu allen Aspekten seines Schaffens: Der berühmteste deutsche Architekt verstand sich selbst weniger als Baumeister denn als Künstler – und keineswegs als Erfüllungs-Gehilfe der Hohenzollern-Dynastie.

 

Zukunftsweisende Neo-Gotik

 

Schinkel war einer der Erfinder des Historismus – und damit radikal modern: nicht trotz, sondern gerade wegen seines Rückgriffs auf Bauformen vergangener Epochen. Kaum noch vorstellbar, aber unter napoleonischer Besatzung war (Neo-)Gotik zukunftsweisend: Sie galt als echt deutscher Stil, der das National-Bewusstsein stärken und den Weg zur Reichs-Einigung weisen sollte.

 

Deshalb schlug Schinkel 1813/14 einen gigantischen Dom zum Gedenken an das Ende der französischen Fremdherrschaft vor. Er komponierte seine Entwürfe aus völlig verschiedenen Elementen: mal mit ägyptisch anmutendem Unterbau und Renaissance-Portikus, mal als Kuppelkirche oder hochgotischen Dom. Errichtet wurde aber nur eine Miniatur-Version: die gusseiserne gotische Fiale auf dem Berliner Kreuzberg.

 

Stadtansichten wie PC-Simulationen

 

Auch die Neue Wache Unter den Linden – vermutlich sein bekanntestes Gebäude – plante Schinkel anfangs völlig anders: als dreiachsigen Rundbogen-Bau, der einer Kapelle ähnelt. Für die Friedrichswerdersche Kirche legte er dem König vier verschiedene Varianten vor: Friedrich Wilhelm III. entschied sich für die Ausführung als englisches gotisches Chapel. Allerdings nicht stilrein: Unterhalb des Gesimses schließt die Mauer ein Akanthus-Fries ab – wie bei antiken Tempeln.

 

Schinkels Entwürfe machte ihre suggestive Darstellung so attraktiv: Er zeichnete nicht einfach Grund- und Aufrisse, sondern ganze Stadtansichten. In die bettete er seine Bauten ein, als ständen sie bereits am vorgesehenen Ort – wie Vorläufer der aufwändigen Computer-Simulationen, mit denen Architekten heutzutage ihre Pläne den Bauherrn schmackhaft machen.