
Beschimpfungen sind eine balkanische Spezialität: «Parada» beginnt als kleines Wörterbuch von fantasievollen Schmähworten, mit denen sich Serben, Kroaten, Bosnier und Albaner gegenseitig beleidigen. Eines davon benutzen sie alle: «Schwuchtel»!
Info
Parada
Regie: Srdan Dragojević, 115 min., Serbien 2012;
mit: Nikola Kojo, Miloš Samolov, Goran Jevtić
Abgöttische Liebe zur Bulldogge
Außer seiner Verlobten Pearl (Hristina Popović): Die kurvige Ex-Stripperin hat zuhause die Hosen an. Zudem liebt Limun abgöttisch seine Bulldogge Sugar: Als der Hund von Gangstern angeschossen wird und Tierarzt Radmilo (Miloš Samolov) sein Leben rettet, ist ihm Limun zu ewigem Dank verpflichtet.
Offizieller Film-Trailer
5000 Polizisten schützten Parade in Belgrad
Bald ebenso Radmilos Freund Mirko (Goran Jevtić): Der erfolglose Theater-Regisseur verdient seine Ćevapčići als Hochzeits-Ausstatter. Sein erlesen versnobter Stil – alles in strahlendem Weiß – trifft ganz den Geschmack von Pearl. Sie stellt ihrem künftigen Gatten ein Ultimatum: Entweder er hilft Mirko – oder die geplante Hochzeit platzt.
Der Aktivist will nämlich eine Gay-Pride-Parade auf die Beine stellen. Was in Belgrad ein selbstmörderisches Unterfangen ist: 2010 mussten 5000 Polizisten die Teilnehmer-Schar vor 6000 rechtsradikalen Hooligans schützen – deshalb wurde im Folgejahr die Parade abgesagt.
Heroin-Dealer macht Vögel drogensüchtig
Stattdessen findet sie auf der Leinwand statt. Nicht ohne Hindernisse: Limuns Untergebene weigern sich, Homosexuelle zu eskortieren – was sollen denn Nachbarn und Freunde denken? Also grast der Parade-Macho mit Radmilo in dessen rosafarbenem Mini-Cooper das halbe Land ab, um Veteranen aus Kriegs-Zeiten zu rekrutieren; die kennt in Belgrad keiner.
Lustvoll schlachtet der serbische Regisseur Srdan Dragojević alle Klischees aus, mit denen sich die Bewohner im ehemaligen Jugoslawien gegenseitig beharken: Der Albaner Azem etwa ist ein Heroin-Dealer, der selbst Boten-Vögel mit Drogen süchtig und gefügig macht.
Schwulen-Feindlichkeit als Spitze des Eisbergs
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Kritik des Films "In the Land of Blood and Honey" von Angelina Jolie über den Bosnien-Krieg
und hier eine Besprechung des Films “Cirkus Columbia” von Danis Tanović über den Beginn des Bosnien-Kriegs
und hier einen Bericht über die Ausstellung “donumenta 2011” in Regensburg mit aktueller Kunst aus Serbien
Mit irrwitzig verspielten Gags beleuchtet «Parada» die Tragik einer von Kriegs-Erfahrungen geprägten Generation: Limuns von ihm vernachlässigter Sohn Vuk ist ein Anführer der Neonazis – und begehrt gegen seinen Vater auf, als der seinen eingefleischten Hass gegen alles Fremde allmählich überwindet.
Publikums-Preis im Berlinale-Panorama
Damit scheint Dragojević einen Nerv in der Region getroffen zu haben: Sein Film wurde nicht nur in Serbien, sondern auch in den Nachbarstaaten zum Kassenschlager, der mehr als 600.000 Zuschauer anlockte. Auch auf der Berlinale im Februar kam die Komödie glänzend an und erhielt den Publikums-Preis im Panorama. Ein ähnlicher Erfolg wäre ihr auch im hiesigen Kino zu wünschen – «Parada» ist allemal origineller und witziger als «Der bewegte Mann».