Rachel Weisz

The Deep Blue Sea

Rachel Weisz als Kette rauchende Hester Collyer am Fenster. Foto: Kinostar
(Kinostart: 27.9.) Britannia rules the waves – not anymore: In Englands trister Nachkriegszeit steht eine Frau zwischen zwei Männern. Rachel Weisz wirkt selbst Kette rauchend elegant, doch sie erstickt am nostalgieseligen Arrangement.

Stunde Null im Vereinigten Königreich: Großbritannien hat zwar den Zweiten Weltkrieg gewonnen, aber sich dabei  finanziell und ökonomisch völlig verausgabt. Das British Empire zerfällt, die Wirtschaft liegt am Boden, Güter des täglichen Bedarfs sind rationiert.

 

Info

The Deep Blue Sea

 

Regie: Terence Davies, 98 min., Großbritannien 2011;
mit: Rachel Weisz, Tom Hiddleston, Simon Russell Beale

 

Website zum Film

Wie erschöpft und ruiniert dieses Land in der Nachkriegszeit ist, zeigt «The Deep Blue Sea» ab der ersten Einstellung: Trübe Gas-Funzeln beleuchten heruntergekommene Londoner Straßenzüge; überall liegt noch Schutt von Bomben-Treffern aus der Kriegszeit herum.

 

Karge Mahlzeiten in stickigen Stuben

 

Ärmlich in groben Tweed gekleidete Menschen hasten in stickige Stuben, wo sie zu kargen Mahlzeiten allenfalls Bier schlürfen oder sich eine Tasse Tee aufbrühen. Als wären diese Aufnahmen beim Klassenfeind im Ostblock entstanden – und nicht in einer Nation, die vor kurzem den Faschismus bezwungen hat und einst die Weltmeere beherrschte.


Offizieller Filmtrailer


 

Richter-Gattin verfällt Ex-Piloten

 

In diesem tristen Ambiente ist «The Deep Blue Sea» angesiedelt; ein Erfolgs-Stück des Dramatikers Terence Rattigan von 1952. Regisseur Terence Davies konzentriert seine Verfilmung auf den Handlungs-Strang des Dramas, der in Rückblenden erzählt wird: Die 40-jährige Hester (Rachel Weisz) lebt gelangweilt an der Seite ihres Gatten Sir William Collyer (Simon Russell Beale) dahin, einem hochrangigen Richter.

 

Dann lernt sie den jugendlich wirkenden Freddie Page (Tom Hiddleston) kennen, derzeit arbeitsloser Ex-Pilot der Royal Air Force, und verfällt ihm sofort: Hester verlässt ihren Ehemann und zieht zu Freddie in dessen bescheidene Ein-Zimmer-Wohnung. Eine unumkehrbarer Schritt: Sir William sagt sich von ihr los.

 

Gescheiterter Selbstmord-Versuch

 

Doch Freddie erwidert ihre Leidenschaft nicht: Sorglos lebt er in den Tag hinein – die Anhänglichkeit seiner Geliebten wird ihm bald lästig. Als er auch noch ihren Geburtstag vergisst, brennen bei Hester die Sicherungen durch: Sie schreibt ihm einen Abschieds-Brief und versucht, Selbstmord zu begehen.

 

Was aufmerksame Nachbarn vereiteln – doch Freddie findet den Brief: Entsetzt will er sich von ihr trennen. Sie läuft ihm nach, während Sir William ihr vergeblich seine Hilfe anbietet: Hesters Gefühls-Haushalt liegt in Scherben, die nicht mehr zu kitten sind.

 

Ketterauchen vernebelt die Leinwand

 

Die Hauptrolle gibt Oscar-Preisträgerin Rachel Weisz gewohnt nuanciert und ausdrucksstark. Ihre Schauspielkunst wird jedoch vom überladenen Arrangement erstickt: Mit statischen Einstellungen, Brauntönen und viel Weichzeichner will Regisseur Davies eine elegische Atmosphäre heraufbeschwören, die auf Dauer arg manieriert wirkt. Man möchte der Kette rauchenden Hester ihre Kippen wegnehmen, die dauernd die Leinwand vernebeln.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Kritik des Films "Was bleibt" von Hans-Christian Schmid mit Corinna Harfouch als Hausfrau, die ihre Familie verlässt

 

und hier einen Beitrag über den Film "Late Bloomers" von Julie Gavras mit Isabella Rossellini über ein alterndes Ehepaar

 

und hier eine Besprechung des Films "Der Seidenfächer" von Wayne Wang über zwangsverheiratete Seelen-Schwestern in China.

Auch das Seelen-Drama einer Frau zwischen zwei Männern vermag nicht wirklich zu berühren. Dazu darf Hester zu selten der Stimme ihres Herzens folgen. Stattdessen muss sie ständig die in England allgegenwärtigen Klassen-Gegensätze aushalten.

 

Patriotische Gesänge im Pub

 

Oder in patriotische Gesänge einstimmen: sei es im U-Bahn-Schutzbunker bei Attacken auf London während des Krieges oder hernach im bierseligen Pub. Das ist very british und stiff upper lip, doch für hiesige Ohren eher befremdlich.

 

Davies ist für autobiographisch gefärbte, einfühlsame Rückblicke auf Englands jüngere Vergangenheit bekannt. Diesmal hat er sich aber zu ausgiebig aus dem Kostüm-Fundus bedient: Dieser muffige Historien-Schinken dürfte höchstens hartgesottene Anglophile ansprechen.

 

Besser den Teufel wählen

 

Der Titel ist übrigens der englischen Redewendung «to choose between the devil and the deep blue sea» entlehnt, was soviel heißt wie: «zwischen Pest und Cholera wählen». Da wäre man mit dem Teufel besser dran.