Jeanine Meerapfel

Der deutsche Freund

Liebeskranke Tag-Träumerin: Sulamit (Celeste Cid) kann Friedrich nicht vergessen. Foto: © Neue Visionen Filmverleih
(Kinostart: 1.11.) Opfer und Täter Tür an Tür: Nach 1945 lebten in Argentinien deutsche Juden und Nazis nebeneinander. Regisseurin Meerapfels autobiographisch geprägtes Liebes-Drama gerät etwas überladen und leblos.

Um «Der deutsche Freund» zu verstehen, braucht man einige Hintergrund-Kenntnisse über die Geschichte Argentiniens und der Studenten-Bewegungen der 1960/70er Jahre. Regisseurin Jeanine Meerapfel setzt dieses Wissen voraus: Wie ihre Protagonistin Sulamit wurde sie 1943 als Kind deutsch-jüdischer Einwanderer in Argentinien geboren.

 

Info

Der deutsche Freund

 

Regie: Jeanine Meerapfel, 100 min., Deutschland, Argentinien 2011;
mit: Celeste Cid, Max Riemelt, Benjamin Sadler

 

Website zum Film

Sie erzählt deren Lebens- und Liebesgeschichte ohne große Erklärungen der politischen Umstände, die sie beeinflussen. Sulamit Löwenstein (Celeste Cid) wächst im Buenos Aires der 1950er Jahre auf. Dort leben in unmittelbarer Nachbarschaft Juden, die vor und während des Zweiten Weltkriegs aus Deutschland emigrierten, und ehemalige Nazis, die ihrer Bestrafung zu entgehen hoffen. Die Kinder von Opfern und Tätern haben eine neue, argentinische Identität.

 

Vater war SS-Offizier

 

Auch Sulamit und Friedrich Burg (Max Riemelt) sind unbeschwerte Jugend-Freunde. Das ändert sich, als Friedrich die NS-Vergangenheit seines Vaters als ehemaliger SS-Offizier entdeckt. Er bricht mit seiner Familie und wandert nach Deutschland aus; Sulamit folgt ihm Jahre später.


Offizieller Filmtrailer


 

Zwischen Köln und Patagonien

 

Hier sorgt die Studenten-Bewegung für unruhige Zeiten: Friedrich versucht, seinen Mangel an inneren Frieden mit radikalen Aktionen zu kompensieren. Als sich 1976 das Militär in Argentinien an die Macht putscht, kehrt er zurück und schließt sich dem Kampf linker Genossen gegen die Diktatur an. Bald verschwindet er in einem Gefängnis in Patagonien.

 

Sulamit zieht mit ihrem neuen Partner Michael (Benjamin Sadler) nach Köln und arbeitet als Übersetzerin, doch ihre unerfüllte Liebe zu Friedrich lässt sie keine Ruhe finden. Sie reist nach Argentinien und besucht ihn im Gefängnis. Erst nach dem Ende der Junta-Herrschaft 1983 nähern sich beide wieder einander an: Friedrich lebt zurückgezogen in Freiheit und ist nun zu Gefühlen fähig.

 

Zuviel Stoff für 100 Minuten

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau
bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Medianeras", ein argentinisches Metropolen-Märchen in Buenos Aires von Gustavo Taretto

 

sowie einen kultiversum-Beitrag zum Film “Das Lied in mir” von Florian Cossen mit Jessica Schwarz über deutsche Vergangenheits-Bewältigung in Argentinien.

Meerapfels Film ist deutlich autobiographisch geprägt, sehr ambitioniert und persönlich. Trotzdem bleibt die Geschichte seltsam leblos und konstruiert; die Handlung springt zwischen Argentinien und Deutschland hin und her. Viele Themen werden angerissen: von privaten Dramen wie Generations-Konflikten und unglücklicher Liebe bis zu sämtlichen gesellschaftlichen Krisen der Epoche.

 

Alles wird gestreift und nichts vertieft. Das geht auf Kosten der Liebesgeschichte: Da in jeder Szene noch schnell der politische Kontext oder ein Pamphlet untergebracht werden muss, fragt man sich bald, was Friedrich und Sulamit eigentlich miteinander verbindet. Hier wird einfach zuviel in 100 Minuten abgehandelt; all das wäre genug Stoff für eine argentinische Version von Edgar Reitz‘ TV-Epos «Heimat».

 

Deutsche spricht Deutsch mit Akzent

 

Zudem verwischt die durchgängig deutsche Synchron-Fassung die unterschiedliche Herkunft der Protagonisten und verunklart dadurch ausgelöste Konflikte. Was zu grotesken Szenen führt: Wenn Sulamits deutsche Mutter gebrochenes Spanisch sprechen müsste, wird ihr Deutsch mit Akzent verpasst. Diesen überladenen Film können auch gute Schauspieler nicht retten: weder Max Riemelt, der die Veränderungen seiner Figur überzeugend darstellt, noch die sichtlich begabte Celeste Cid.