Potsdam

Friederisiko

Friederisiko ist überall: Schriftzug der Ausstellung vor dem Potsdamer Marstall. Foto: Grit Onnen © SPSG
Wunderkammer im Emporkömmling-Schloss: Eine Gedenk-Ausstellung im Neuen Palais zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen zeigt ihn als König voller Widersprüche. Das beeindruckendste Exponat ist der frisch restaurierte Prunk-Bau selbst.

Wie ehrt man den berühmtesten und bedeutendsten deutschen Monarchen zum 300. Geburtstag? Über den alles bekannt und gesagt zu sein scheint – von Verehrern, die seit zwei Jahrhunderten zu ihm aufblicken, wie Verächtern, die ebenso lange der Rummel um seine Person nervt? Wie vom Alten Fritz reden, ohne wiederzukäuen?

 

Info

Friederisiko

 

28.04.2012 - 28.10.2012
täglich außer dienstags 10 bis 19 Uhr, freitags + samstags 20 Uhr im Neuen Palais, Potsdam

 

Katalog 29,90 €
Essay-Band 34,50 €
2 Bd. zusammen 49 €

 

Website zur Ausstellung

Indem man sich zu ihm nach Hause einlädt und ungeniert hinter Gardinen blickt, Schränke öffnet und in Schubladen kramt. Was im Alters-Domizil von Friedrich II. kein indiskretes Vorgehen ist: Er ließ nach eigenen Worten das Neue Palais als «Fanfaronnade» errichten. Also als «Prahlerei», um seinen Prestige-Gewinn nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 – 63) zu feiern – Preußen hatte sich als Großmacht in Europa etabliert.

 

Stiefkind der Hohenzollern-Schlösser

 

Das Neue Palais war lange ein Stiefkind unter den Hohenzollern-Schlössern in Berlin und Brandenburg. Nicht, weil es unscheinbar wäre: Unübersehbar thront der riesige Riegelbau am Ende der Hauptachse von Park Sanssouci in Potsdam. Als letztes großes in Europa gebautes Barock-Schloss – und das am Besten erhaltene in Deutschland, da es hernach kaum verändert wurde.


Interview mit Kurator Jürgen Luh + Impressionen der Ausstellung


 

Pfusch am königlichen Bau

 

Friedrich ließ dieses monströse Monument seines Ruhms in nur sieben Jahren bis 1769 hochziehen – samt zwei gegenüber liegenden Nebentrakten namens «Communs» für Bedienstete. Bei der Planung mischte der König kräftig mit; die Innen-Ausstattung legte er bis in kleinste Details fest. Doch aufgrund von Eile wurde teils minderwertiges Material verbaut, sprich: gepfuscht.

 

Das störte den Bauherrn kaum. Hier lebte er nur selten in den Sommermonaten: Das Neue Palais sollte vor allem adlige Gäste aus ganz Europa beherbergen und beeindrucken. Nach Friedrichs Tod 1786 wurde es für Festlichkeiten genutzt und blieb ansonsten meist unbewohnt; erst der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. kam bis 1918 öfter hierher – für ihn wurde in der Nähe eigens ein Bahnhof angelegt.

 

Mehr megaloman als majestätisch

 

Zu DDR-Zeiten wurde es nur notdürftig instand gehalten, weil Schloss Sanssouci der wichtigere Touristen-Magnet war; im Neuen Palais konnte man nur wenige Bereiche betreten. Zum Jubiläums-Jahr hat ihm die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) eine General-Sanierung spendiert. Nun sind 72 Räume wieder für die Öffentlichkeit zugänglich – die meisten erstmals seit Jahrzehnten.

 

Womit das Neue Palais zum Gesamt-Kunstwerk mit spektakulärem Schauwert wird. Schon von außen ist das Ensemble aus Schloss und «Communs» eine Wucht – mehr megaloman als majestätisch. Wäre nicht die liebliche Park-Anlage ringsum, fühlte man sich eher an überdimensionierte Zaren-Paläste um Sankt Petersburg herum als an barocke Vorbilder in Österreich oder Frankreich erinnert.

 

Wohn-Kultur authentisch erleiden

 

Im Inneren lässt sich fürstliche Wohn-Kultur des 18. Jahrhunderts authentisch erleben und erleiden. Unübersichtliche Saal-Fluchten hoher Räume führen in düstere Gemächer; nur wenige Zimmer haben ausreichend Tageslicht. Überall quietscht Parkett, wellen sich hölzerne Wand-Vertäfelungen und blättert vergilbte Farbe. Um den Komfort von König und Entourage nachzuempfinden, muss man sich das Schloss kaum beheizt und von Kerzen beleuchtet vorstellen – das lässt fröstelnd schaudern. Strom wurde vielerorts erst für die Ausstellung gelegt.