Deko-Burgen in Wald-Einsamkeit
Diese Gleichzeitigkeit von Idealisierung und Industrialisierung des Rheins führt die Ausstellung sehr anschaulich vor: einerseits mit rund 50 Öl-Gemälden und Zeichnungen vorwiegend aus der privaten Sammlung «RheinRomantik» in Bonn, andererseits mit damaligen Karten und Plänen sowie Schiffs-Modellen aus dem «Technoseum» in Mannheim.
Noch 1807 malte Georg Schneider die «Mainzer Schiffsbrücke» als Ort geschäftiger Betriebsamkeit: mit Waren-Umschlagplatz, Fuhrwerken auf der Brücke und Schiffs-Mühlen mitten im Strom. Bilder, die wenig später entstanden, sehen völlig anders aus: Auf beiden Flussufern herrscht Wald-Einsamkeit rund um dekorative Mittelalter-Burgen und beschauliche Dörfer, die nur wenige Staffage-Figuren bevölkern.
Melancholische Verlust-Technik
Der ewig fließende und zugleich in seinem Bett ruhende Rhein symbolisiert Zeitlosigkeit. Sein Verlauf, der im Hintergrund oft in unbestimmte Ferne führt, deutet an, dass dieses Bild in die Vergangenheit entrückt. Dieses allmähliche Verschwinden macht es wertvoll; solche unberührte Natur-Anschauung suchten Sommerfrischler auf ihren Rhein-Ausflügen.
Wo sie nicht mehr zu finden war, wurde sie künstlerisch hergestellt: etwa vom 1827 gegründeten «Landschaftlichen Componierverein» der Düsseldorfer Maler-Schule um Johann Wilhelm Schirmer. Seine Mitglieder setzten ihre Bilder aus motivischen Versatz-Stücken zu einem harmonischen Gesamt-Eindruck zusammen: für Kurator Matthias Winzen eine «melancholische Verlust-Technik», um die Industrialisierung der Lebenswelt optisch zu kompensieren.
Aussichts-Punkt ohne Schienen-Strang
Dabei bildeten sich Bild-Klischees heraus, die häufig reproduziert wurden: wie die Aussicht vom Rolands-Eck bei Remagen auf Rolands-Bogen, Siebengebirge und das Kloster auf der Rhein-Insel Nonnenwerth. Sie ziert unzählige Postkarten seit den 1890er Jahren, von denen eine Auswahl zu sehen ist: Bei diesem Blickwinkel bleibt der Schienen-Strang am linksrheinischen Fluss-Ufer unsichtbar.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie" im Kulturforum der Gemäldegalerie, Berlin
und hier eine Rezension der Ausstellung "Weltsichten" über Landschaft in der Kunst vom 17. bis zum 21. Jahrhundert im Kunstmuseum Dieselkraftwerk, Cottbus
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "John Constable - Maler der Natur" in der Staatsgalerie, Stuttgart.
Thomas Gottschalk zieht weg
In dieser Serie ist keine Burg oder Wald-Idylle, sondern der Strom selbst der Hauptdarsteller: vom Tosen der Wasserfälle in den Alpen bis zur schäumenden Gischt an der Nordsee. Der erhoffte Geschäftserfolg – Bleuler ließ seine Gemälde als Stiche kopieren und verkaufen – blieb aber aus: Fotografien wurden bald genauer und günstiger.
Wie damals das Interesse an handgemalten Souvenirs, so ist inzwischen die allgemeine Rhein-Begeisterung abgeklungen. Bingen, St. Goar und Rüdesheim sind zwar noch Massentourismus-Magneten, doch der Show-Adel zieht weg: Vor kurzem gab Thomas Gottschalk bekannt, dass er seinen Wohnsitz Schloss Marienfels am Flussufer zwischen Remagen und Oberwinter verkaufen will. Noch eine Attraktion weniger.