Karlsruhe

Camille Corot: Natur und Traum

Camille Corot: Die Ruhe; 1860, überarbeitet ca. 1865-70, 57,8 x 101,6 cm. Foto: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
In Frankreich gilt Corot als bedeutendster Landschafts-Maler des 19. Jahrhunderts. Die Kunsthalle zeigt nun seine erste große Retrospektive in Deutschland: eine fulminante Ausstellung, die düstere Aspekte seines Werks offenbart.

Kühl muss der jungen Dame sein, die nackt in einer bacchantischen Szenerie liegt. Sie wirbt auf Plakaten im winterlichen Karlsruhe für die Ausstellung «Camille Corot. Natur und Traum». Wer allerdings dort träumen möchte, wird enttäuscht: Ein umfassender Querschnitt durch das an Stilen und Formen, Experimenten und Innovationen reiche Werk des großen Autodidakten fordert volle Aufmerksamkeit.

 

Info

Camille Corot:
Natur und Traum

 

29.09.2012 - 20.01.2013
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr in der Staatlichen Kunsthalle, Hans-Thoma-Straße 2-6, Karlsruhe

 

Katalog 45 €

 

Weitere Informationen

Wer sich darauf einlässt, wird reich belohnt; falls man sich im deutsch-französischen Besucher-Gedränge zu behaupten vermag, das vor allem an Wochenenden in der Staatlichen Kunsthalle herrscht. Sie besitzt sechs Werke von Corot – und verfügt damit über den größten deutschen Museums-Bestand dieses Malers, der hierzulande lange wenig geschätzt und gesammelt wurde.

 

Mehr als 170 Werke aus aller Welt

 

In Frankreich gilt dagegen Jean-Baptiste Camille Corot (1796 – 1875), Hauptvertreter der Schule von Barbizon, seit dem 19. Jahrhundert als bedeutendster Landschafts-Maler seiner Zeit. Nun wird er auch in Deutschland mit der ersten ihm gewidmeten Retrospektive gebührend präsentiert: Für diese fulminante Ausstellung hat das Kuratorinnen-Team mehr als 170 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken aus aller Welt zusammengetragen.


Impressionen der Ausstellung; © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe


 

Keiner Stil-Richtung zuzuordnen

 

Das Reklame-Bild mit Rückenakt heißt «Die Ruhe», doch das trügt: Corot hat mehr zu bieten als bacchantische Idyllen. Als er zu malen begann, herrschte in Frankreich noch der Klassizismus; später wurde sein Schüler Camille Pissarro einer der produktivsten Impressionisten.

 

Corot selbst ist jedoch keiner Stil-Richtung zuzuordnen – obwohl er mal als Klassizist oder Realist, als Romantiker oder Décadent, als Vorläufer von Impressionismus oder Symbolismus gehandelt wird. Wie unbestimmbar vielgestaltig sein Werk ist, zeigt schon das Plakat-Motiv: Die ruhende Schöne fixiert den Betrachter mit einem Blick, der jeder Werbung abhold ist.

 

Männer als merkwürdig Abwesende

 

Der gleiche unnahbare Blick charakterisiert die meisten seiner Frauen-Porträts, von denen die wichtigsten in Karlsruhe zu sehen sind. In der Regel zeigen sie verschlossene Frauen, eingepackt in wallend üppige Stoffe einer als bieder charakterisierten Zeit; ihre Eigenart treibt der Künstler bisweilen auf die Spitze. Von den Lichtspielen auf ihren Körpern gehen widersprüchliche Signale aus: Sind es Spiegelflächen für den Blick des Betrachters oder Sendboten des Eigensinns?

 

Männer erscheinen auf den Gemälden häufig als merkwürdig Abwesende. In «Die Zerstörung von Sodom» (1844) sind Lots Frau und die Töchter gut zu erkennen. Dass auch Lot selbst abgebildet ist, geht fast unter; so sehr wird der alte Mann von seinen drei Töchtern dominiert. Im rätselhaften Bild «Blick auf Rouen» (1833/34) zieht ein ruhender Mann im Vordergrund links die Blicke von gleich drei Frauen auf sich, die ihn passieren.

 

Corot und die Frauen

 

«Erinnerung an Mortefontaine», eines seiner berühmtesten Bilder, malte Corot 1864 zum Gedenken an seinen toten Dichter-Freund Gérard de Nerval. Wir sehen eine Frau und zwei Kinder, die einen abgestorbenen Baum bekränzen; dieser nimmt die gleiche gebeugte Position ein wie der Ruhende 30 Jahre zuvor.

 

Ein singuläres Gemälde von 1833 zeigt in fast naivem Duktus eine Fabrik-Anlage. Hier stehen Männer müßig herum – die Frauen sind rührig: eine spinnende Großmutter mit Enkelin und eine Wäscherin am Brunnen. Corots Verhältnis zu Frauen liefert offenbar den Schlüssel zu einigen seiner Bild-Erfindungen. Pikanterweise verdankte der Maler seine auskömmliche Existenz als Rentier, der als Maler erst spät finanziellen Erfolg hatte, dem frühen Tod seiner jüngeren Schwester.