Berlin

Geschlossene Gesellschaft – Künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989

Erasmus Schröter: Frau in Rot, Leipzig 1985. Foto: © Erasmus Schröter, Sammlung Berlinische Galerie
Selbst-Reflexion unter Ausschluss der Welt-Öffentlichkeit: Die Kunst-Fotografie in der DDR bildete völlig eigene Bild-Sprachen aus. Das zeigt die erste ihr gewidmete Überblicks-Ausstellung seit der Wende in der Berlinischen Galerie.

Eine Weltpremiere fast ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall: 23 Jahre mussten vergehen, bis die erste Überblicks-Ausstellung zur künstlerischen Fotografie in der DDR präsentiert wird – also mehr als halb so lange, wie dieser Staat existierte.

 

Info

Geschlossene Gesellschaft – Künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989

 

05.10.2012 – 28.01.2013
täglich außer dienstags 
10 bis 18 Uhr in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, Berlin

 

Katalog 39,80 € 

 

Weitere Informationen

Dazu hat die Berlinische Galerie rund 250 Arbeiten von 34 Fotografen zusammengetragen: Etlichen unter ihnen waren einzelne Werkschauen gewidmet, aber noch nie wurden ihre Arbeiten gemeinsam gezeigt. Hier sind sie in einen «Prolog» sowie drei «Kapitel» gegliedert, die ebenso vielen Foto-Paradigmen entsprechen; der Schwerpunkt liegt auf den 1980er Jahren.

 

Bis 1977 der Gebrauchs-Grafik zugeordnet

 

In der DDR wurde Fotografie erst 1977/78 mit der Ausstellung «Medium Fotografie» in Halle/Saale salonfähig; zuvor war sie im DDR-Künstlerverband der Gebrauchs-Grafik zugeordnet. 1982 kam es zur ersten eigenen Präsentation künstlerischer Fotografie im Rahmen der IX. Kunstausstellung.


Feature mit Statemens von Kurator Ulrich Domröse, diversen Fotografen + Impressionen der Ausstellung; © Berlinische Galerie


 

Erste und einzige Foto-Galerie der DDR

 

Drei Jahre später wurde in Ost-Berlin die erste – und bis zum Ende der Republik auch einzige – reine Foto-Galerie des Landes gegründet. Einer ihrer geistigen Väter war Ulrich Domröse, nach der Wende zum Fotokurator der Berlinischen Galerie berufen. Er hat in profunder Kenntnis der DDR-Szene diese Ausstellung mit kuratiert und versteht sie «nicht als Fotoschau über die DDR», sondern als eine «über das Medium Fotografie in der DDR» – die als Nebeneffekt vom dortigen Alltagsleben erzählt.

 

Nach dem Prolog mit Nachkriegsbildern von Zerstörungen und Trümmerfrauen, mit denen Richard Peter sen. und Karl Heinz Mai den Schrecken künstlerisch bearbeiteten, ist die erste Abteilung «Realität, Engagement, Kritik» gewidmet. Sie zeigt längst anerkannte und renommierte Fotografen wie Arno Fischer, Evelyn Richter, Roger Melis, Sibylle Bergemann oder Gundula Schulze Eldowy.

 

Ein studierter Bildhauer als Fotograf

 

Arno Fischer und Evelyn Richter gelten als wegweisende Vertreter der straight photography. Deren sachlich-realistische Darstellung in der Tradition etwa eines Alfred Stieglitz oder Robert Frank war einer der stärksten Strömungen in der DDR-Fotografie.

 

Fischer war studierter Bildhauer; er fotografierte ab den 1950er Jahren. Seine Aufnahmen aus dem Nachkriegs-Berlin mit Menschen-Gruppen auf Plätzen und Straßen berühren den Betrachter unmittelbar mit ihrer emotionalen Erzählung im Bild; er wird scheinbar in die Szene integriert.

 

Berufstätige Frauen + sozialistische Familien

 

Ganz anders die gelernte Porträt-Fotografin Evelyn Richter, deren Bilder erkennbar an Darstellungen der menschlichen Figur in klassischer Malerei angelehnt sind: Richters Sujet ist jedoch die berufstätige, von harter Arbeit geprägte Frau.

 

Ihre Freundin Ursula Arnold verdiente ihren Unterhalt als Kamerafrau in der Propaganda-Maschine DDR-Fernsehen – und nutzte künstlerische Freiheiten in der Fotografie. Sie porträtierte Menschen im Straßenbild Ost-Berlins und hielt ihr Erstarren nach dem Bau der Mauer fest.

 

Ebenso Christian Borchert, der zum Chronisten der sozialistischen Familie wurde: Seine Frontal-Porträts vor und zehn Jahre nach der Wende orientieren sich am Vorbild von August Sanders berühmter Porträt-Serie «Antlitz der Zeit» aus den 1920er Jahren.