
«Die Schöne ist gekommen»: Das bedeutet wörtlich der Name «Nofretete». Ihre berühmte Porträt-Büste kam vor genau 100 Jahren ein zweites Mal zur Welt: Am 6. Dezember 1912 fanden deutsche Archäologen unter Leitung von Ludwig Borchardt, die Ruinen des mittelägyptischen Amarna freilegten, den Königinnen-Kopf im Schutt der einstigen Werkstatt des Hof-Bildhauers Thutmosis.
Info
Im Licht von Amarna –
100 Jahre Fund der Nofretete
07.12.2012 – 04.08.2013
täglich 10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr
im Ägyptisches Museum
im Neuen Museum,
Bodestraße 1-3, Berlin
Katalog 29,95 €
Büste erstmals 1924 ausgestellt
Simon schenkte sie 1920 dem preußischen Staat. Vier Jahre später wurde die Büste erstmals ausgestellt – und rief helle Begeisterung hervor: Mit Mandelaugen, edel geschwungenen Brauen und gelängten Gesichtszügen über ihrem Schwanenhals verkörperte sie das Schönheits-Ideal der Zeit. Bis heute ist sie die größte Attraktion der Berliner Museen, von Kairo mehrfach vergeblich zurückgefordert.
Interview mit Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, + Impressionen der Ausstellung
Kult-Objekt für politische Propaganda
Wobei die Büste kaum die historische Nofretete zeigt: Wie Computer-Untersuchungen ergaben, steckt in ihr ein Kalkstein-Kern, der eine ältere und längst nicht so schöne Frau abbildet. Darüber modellierte ein Künstler mit Gips ein perfektes Gesicht, dem aber die Iris eines Auges fehlt. Offenbar diente die Skulptur als Muster, nach dem Werkstatt-Mitarbeiter serienweise Kopien herstellten. Die wurden im ganzen Land verteilt und in Tempeln verehrt: als Kult-Objekt für politische Propaganda.
Für diese Deutung spricht, dass Nofretete Haupt-Akteurin in einer Kultur-Revolution war, mit der ihr Pharaonen-Gatte das antike Ägypten erschütterte. Schon dessen Vater Amenophis III. hatte den bisherigen höchsten Gott Amun-Re ab- und den Sonnengott Aton aufgewertet. Diese Religions-Reform radikalisierte sein Sohn nach der Thronbesteigung um 1351 v. Chr.
Neuer Name + neue Hauptstadt
Er erhob das Licht zum einzig schöpferischen und Leben spendenden Prinzip, verkörpert in Aton und symbolisiert von der Sonnen-Scheibe. Damit schaffte er die vielköpfige altägyptische Götter-Schar und das von ihnen beherrschte Jenseits einfach ab. Nur noch das lichte Diesseits zählte; der Pharao wurde zum einzigen Vermittler zwischen Himmel und Erde.
Seine eigene Kosmologie führte er mit Namens- und Orts-Wechseln ein: Von Amenophis IV. benannte er sich in Echnaton («der Aton nützlich ist») um. Zudem ließ er am Nil auf halber Strecke zwischen Kairo und Luxor mitten in der Wüste die neue Hauptstadt Achetaton («Horizont des Aton») binnen weniger Jahre aus dem Boden stampfen: Dort wohnten rund 30.000 Menschen, vor allem Hof-Beamte und Bedienstete.
Umstrittene Motive für Religions-Stiftung
Echnaton war Stifter des ersten Monotheismus der Weltgeschichte. Warum er ihn dekretierte, ist umstritten: aus geistiger Überzeugung, totalem Herrschafts-Anspruch oder eher, um Ägyptens übermächtige Priesterschaft zu schwächen? Jedenfalls drang der neue Glaube par ordre du Pharao nicht durch: Das Volk verehrte weiter die alten Götter.