Ang Lee

Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger (3D)

Schwankender Ausleger: Pi Patel (Suraj Sharma) baut sich ein Floß als Beiboot zum Rettungsboot. Foto: 2012 Twentieth Century Fox
(Kinostart: 26.12.) Spiritueller Blockbuster: Regisseur Ang Lee verfilmt den Bestseller über die Odyssee eines Jungen mit Raubkatze. Als traumhafte Robinsonade, deren perfekt animierte Naturschönheiten eine Art Gottesbeweis liefern.

Der Roman «Schiffbruch mit Tiger» des kanadischen Autors Yann Martel ist ein internationaler Bestseller: 2001 erschienen, wurde das Buch in 42 Sprachen übersetzt und mehr als 7 Millionen Mal verkauft. Nun hat Ausnahme-Regisseur Ang Lee diese fantastische Abenteuer-Geschichte verfilmt.

 

Info

Life Of Pi -
Schiffbruch mit Tiger 

 

Regie: Ang Lee
127 min., USA 2012; 
mit: Suraj Sharma, 
Gérard Depardieu, 
Irrfan Khan

 

Website zum Film

Ihm gelingt, was unmöglich schien: Er findet eine visuelle Umsetzung für die Gedanken des Roman-Helden, seine Einsamkeit und Suche nach Gott. Ang Lee hat einen spirituellen Blockbuster geschaffen, der bombastisch und doch ganz zart in aufwendigem 3D von einer universalen Reise erzählt.

 

Innenschau eines Schiffbrüchigen

 

«Schiffbruch mit Tiger» galt als unverfilmbar: Wie zeigt man die Innenschau eines einsamen Schiffbrüchigen, der 227 Tage nur in Gesellschaft eines Tigers auf offener See treibt? In phantasievoll genauer Sprache beschreibt der Roman die Gedankenwelt der Hauptfigur, die Realität und Fiktion immer weniger auseinander halten kann.


Offizieller Filmtrailer


 

Schwule Cowboys + Schmecken und Riechen

 

Für diesen Film war der vielseitige und sensible Regisseur Ang Lee die richtige Wahl. Der Taiwanese hat das Talent, ungewöhnliche und sperrige Geschichten unterschiedlichster Genres sinnlich erlebbar zu machen.

 

Seinen größten Erfolg, inklusive Regie-Oscar, feierte er 2005 mit «Brokeback Mountain» – obwohl schwule Cowboys als Film-Thema bis dahin als unakzeptabel, gar lächerlich galten. Bereits 1994 hatte Lee eine andere vermeintliche «Unmöglichkeit» visualisiert: Mit «Eat Drink Man Woman» drehte er einen Film über das Schmecken und Riechen.

 

Schriftsteller sucht Inspiration

 

«Meine Geschichte wird Sie an Gott glauben lassen»: Mit diesen Worten beginnt der Inder Piscine Molitor Patel, genannt Pi, seine Erzählung; ihm lauscht in der Rahmenhandlung ein kanadischer Schriftsteller (Rafe Spall) auf der Suche nach Inspiration. Die Erinnerung des gealterten Pi (Irrfan Kahn) wird den Zuschauer dank des tiefgründigen und sensiblen Spiels von Kahn emotional durch den Film begleiten.

 

Der setzt in den 1970er Jahren in Indien ein. Pi lebt mit seiner Familie in einem Zoo, den sein Vater leitet. Die Kinderaugen von Pi verwandeln diesen Ort in ein perfektes Paradies. Hier beginnt bereits die Magie der traumhaften Bildersprache, die Lee für diesen Film geschaffen hat: An seiner Liebe zu Details werden Respekt vor der literarischen Vorlage und tiefes Verständnis für die spirituelle Dimension der Geschichte deutlich.

 

In Hindu-Comics eintauchen

 

Zwischen den Tieren, denen der Junge mit Achtung und Freundschaft begegnet, wächst Pi mit der Suche nach Gott auf: Der Hindu lässt sich taufen und tritt auch dem Islam bei – so sehr faszinieren ihn alle Gottheiten und Glaubensrichtungen.

 

In Comics liest der kleine Pi von den Mythen der hinduistischen Götter, in die das Publikum  mit herrlichem 3D eintauchen darf: Sie werden später zur Kraftquelle für den Schiffbrüchigen und visuellen Brücke zwischen seinem Innenleben und dem Zuschauer.

 

Wale, Quallen + fliegende Fische in 3D

 

Ein bengalischer Tiger im Zoo fasziniert Pi, doch sein Vater erteilt ihm eine unvergessliche Lektion: Raubkatzen seien Todfeinde des Menschen. Als Pi 17 Jahre alt ist (nun gespielt von Suraj Sharma), wandert die Familie mit einigen Zootieren nach Kanada aus. Doch der Pazifik-Frachter, auf dem sie die Überfahrt antreten, gerät in einen Sturm und sinkt. Allein Pi kann sich in ein Rettungsboot flüchten; zu seinem Schrecken entdeckt er, dass er es mit dem Tiger teilen muss.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau
bei Film-Zeit.

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Beasts Of The Southern Wild" von Benh Zeitlin über den Hurrikan "Katrina" aus Kinder-Sicht

 

und hier einen Beitrag über das Solo-Drama "Der Fluss war einst ein Mensch" von Jan Zabeil, eine Afrika-Robinsonade mit Alexander Fehling

 

sowie hier eine Rezension der Survival-Saga in Alaska "The Grey – Unter Wölfen" von Joe Carnahan mit Liam Neeson.

Die beiden kämpfen nun ums Überleben und Pi lernt, mit dem Tiger zurecht zu kommen, dessen Gesellschaft ihn wach und lebendig hält. Für die Darstellung ihrer Odyssee schöpft Regisseur Lee alle Möglichkeiten von 3D-Animationen aus, um Naturschönheiten auf die Leinwand zu bringen: Wale, die wie Ungeheuer aus den Fluten aufsteigen, einen Schwarm fliegender Fische oder phosphoreszierende Quallen, die das Meer in mystisches Licht tauchen.

 

Universum im Rettungsboot

 

Als das Boot eine geheimnisvolle Insel erreicht, die von Erdmännchen bevölkert wird und aus Algen besteht, die sich nachts in fleischfressende Pflanzen verwandeln, wird der Film endgültig zum Bilder-Kosmos voller Wunder. Mit Findigkeit und einem Survial-Handbuch schafft es Pi, allen Naturgewalten zu trotzen: Er wird seine Irrfahrt überleben.

 

Doch was hat sich in dem Boot wirklich zugetragen? Hat er es tatsächlich mit einem Raubtier geteilt, oder sind wir mit ihm tief in einer Illusion versunken? So wie Krishna in Pis Comics das ganze Universum in seinem Mund verbirgt, packt Ang Lee das ganze Universum in Pis Rettungsboot.

 

Menschen zu Raubtieren

 

Damit verdichtet er die traumhafte Erzählung zu einem Gottesbeweis, in dem sich allmählich die Grenzen zwischen Himmel und Wasser, Horizont und Meeresgrund, Phantasie und Wirklichkeit, Mensch und Tier auflösen. Alles wird zu Metaphern, die vom Göttlichen erzählen. Und von der menschlichen Natur, wenn unser Überleben auf dem Spiel steht und wir uns alle in Raubtiere verwandeln.