Constanze Knoche

Die Besucher

Eltern (Corinna Krichhoff, Uwe Kokisch) auf dem Weg zurück ins eigene Leben. Foto: Basis-Film Verleih Berlin
(Kinostart: 31.1.) Papa ante portas: Der Überraschungsbesuch eines Vaters bei seinen Kindern in Berlin erschüttert das Familien-Gefüge. Regisseurin Constanze Knoche setzt in ihrem Langfilm-Debüt auf konzentriertes Ensemble-Spiel.

Eine gute halbe Stunde lässt «Die Besucher», das Spielfilm-Debüt von Regisseurin Constanze Knoche, nur grübeln und vermuten, was hinter der überraschenden Visite des Endfünfzigers bei seinem Nachwuchs steckt. Jakob (Uwe Kockisch) ist Vater von drei erwachsenen Kindern, die alle in Berlin leben. 

 

Info

Die Besucher

 

Regie: Constanze Knoche
92 min., Deutschland 2012; 

mit: Uwe Kockisch, Corinna Kirchhoff, Anjorka Strechel, Jakob Diehl

 

Website zum Film

Offenbar besucht er sie nur selten, obwohl das Örtchen Schwarzheide bei Senftenberg in Brandenburg nicht weit entfernt ist. Zu seinem Kosmos gehört weder das Leben in der Großstadt noch Auto oder Handy. Er reist mit der Bahn und einem lächerlichen Schirm an; in Berlin scheint die Sonne.

 

Ehefrau fährt hinterher

 

Doch warum ist er hier? Was will er am Abend mit seiner Lieblingstochter Sonni (Anne Müller) besprechen? Worüber will er mit seinem Sohn Arnolt (Jakob Diehl) reden, dem er seit Jahren nichts zu sagen hat? Was kann die älteste Tochter Karla (Anjorka Strechel) vom Familienrat erwarten, den er überhastet einberuft? Jakobs Ehefrau Hanna (Corinna Kirchhof) scheint etwas zu ahnen. Als sie sein Verschwinden bemerkt, lässt sie sich vom Nachbarn ebenfalls nach Berlin fahren.


Offizieller Filmtrailer


 

Familie auf tönernen Füßen

 

Ist dieser etwas linkische, altmodische Vater krank? Ist er verlassen worden, wie die pragmatische Karla wissen will? Ist er gekommen, um sich plötzlich ins Leben von Arnolt und Sonni einzumischen, wie diese befürchten? 

 

In ruhigen Bildern und kargen Dialogen schlittert der Film auf einen Eklat zu. Denn diese Familie, deren Struktur nur noch auf tönernen Füßen ruht, kann nicht viel aushalten: Ihre klar, aber nicht plakativ charakterisierten Mitglieder haben zu viele persönliche Baustellen. 

 

Leben vom Geld der Eltern

 

Die selbstverliebte Sonni hält viel auf ihre akademische Karriere in einem Institut, dessen Professor auch ihr Liebhaber ist. Der unsichere Arnolt hat vor lauter Selbstsuche nicht nur sich, sondern auch den Abschluss seines Chemie-Studiums aus den Augen verloren; er lebt wie Sonni immer noch von finanziellen Zuwendung der Eltern. 

 

Das ist der burschikosen Karla ein Dorn im Auge. Die Gärtnerin versteht sich als ehrliche Arbeiterin, die für sich selbst sorgen kann, in sozialer und erotischer Hinsicht aber noch Nachhilfe-Bedarf hat. 

 

Anfall von Gelegenheits-Pathos

 

Immerhin liegt sie richtig mit ihrem Verdacht zur Ehe ihrer Eltern: Mutter Hanna hat ein Verhältnis. Und Vater Jakob? Denkt seit Jahrzehnten nur an seine Arbeit als leitender Angestellter eines Chemiewerks, das er zu DDR-Zeiten mit aufgebaut hat. Nun wird es abgewickelt.

 

Hintergrund

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau
bei Film-Zeit.


Lesen Sie hier einen Beitrag zum Film  “Was bleibt” von Hans-Christian Schmid, ein Drama um eine Familienaufstellung mit Corinna Harfouch


sowie hier einen Beitrag zum Film “Late Bloomers” 
von Julie Gavras, mit Isabella Rossellini und William Hurt, die als alterndes Paar in eine Ehe-Krise geraten.

Kockisch spielt das Oberhaupt der Familie, das sie mit seinem Einkommen zumindest auf dem Papier zusammenhält, als leisen Pflichterfüller, der seine Empathie für Frau und Kinder längst verloren hat. Sein Anspruch, in einem Anfall von Gelegenheits-Pathos beim gemeinsamen Abendessen alles Mögliche klar zu stellen, scheitert großartig. Die folgenden Stunden bieten allen Beteiligten die Chance, eingeschliffene Verhaltensmuster zu erkennen und zu überdenken, wie man zueinander steht. 

 

Nukleus einer Familie

 

Das sehr präzise und zurückhaltend humorvolle Drehbuch von Regisseurin Constanze Knoche und Leis Bagdach vermeidet konsequent Psychologisierungen und setzt auf konzentriertes Ensemble-Spiel. Es geht um Arbeit und Leben und deren Überschneidungs-Punkte.

 

Damit gelingt es dem Film, alltägliche Beziehungs-Schwierigkeiten, aber auch Probleme des gesellschaftlichen Systemwechsels in Deutschland auf den Nukleus einer Familie einzudampfen, ohne sich ins Pseudo-Dokumentarische zu flüchten oder die szenografischen Mittel künstlich zu überhöhen.