Die US-Amerikanerin Margaret Bourke-White (1904-1971) war langjährige Fotoreporterin des Life-Magazins und äußerst vielseitig. Ob Industrie-Architektur, Porträts oder Kriegs-Reportagen: Sie fotografierte alles mit demselben hohen ästhetischen Anspruch.
Info
Margaret Bourke-White:
Fotografien 1930 bis 1945
18.01.2013 - 14.04.2013
täglich außer dienstags
10-19 Uhr
im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, Berlin
Katalog 29 €
(in englischer Sprache)
Debüt in Stahlwerken von Cleveland
Von den Eltern ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen, studierte Bourke-White biologische Fächer, entwickelte jedoch gleichzeitig ein lebhaftes Interesse an der Fotografie. Fasziniert von Welt der Technik, betätigt sie sich nach dem Studium als Architektur-Fotografin; mit ihren Bildern der Stahlwerke von Cleveland erlangt sie schnell großes Renommee.
Impressionen der Ausstellung
Missverhältnis von Maschine + Mensch
Ihre Industrie-Fotografien, die der jungen Fotografin die Tür in den Foto-Journalismus öffnen, künden von früher Meisterschaft in diesem Medium. Bauten und Maschinen nimmt Bourke-White betont ästhetisch im Stil der Neuen Sachlichkeit auf; dabei überhöht sie feierlich die abgebildeten Gegenstände.
Auffallend sind dabei die verschiedenen Proportionen von Maschine und Mensch: Die Maschinen rücken in imposanter Größe ins Zentrum der Aufnahmen, den Menschen bleiben nur winzige Randpositionen. Dieses Missverhältnis ist keineswegs negativ konnotiert, im Gegenteil: Daraus spricht eine geradezu kultische Verehrung, die der neuen Technik allgemein entgegengebracht wurde.
Porträt von Stalins alter Mutter
Mit 25 Jahren wird Bourke-White vom Henry Louce, Herausgeber des Magazins Time, als erste und lange Zeit auch einzige Fotografin für sein neues Magazin Fortune engagiert. Ab 1936 arbeitet sie viele Jahre lang als Fotoreporterin für Life und unternimmt im Auftrag der Illustrierten ausgedehnte Reportage-Reisen in zahlreiche europäische Länder.
Bereits als junge Frau hat die ehrgeizige Fotografin nach eigenen Worten das «unstillbare Verlangen, zur Stelle zu sein, wenn Geschichte geschrieben wurde». 1930 darf sie als erste westliche Fotoreporterin in die Sowjetunion reisen: Dort spürt sie Stalins alte Mutter in Georgien auf, um sie abzulichten.
Ausstellung thematisiert Bezüge kaum
Anders als in der Frühphase ihres Schaffens stehen auf den Bildern aus der Sowjetunion nicht Maschinen im Zentrum, sondern die an ihnen hantierenden Menschen. Emblematisch dafür ist das Foto jenes muskulösen Arbeiters auf dem Generatoren-Gehäuse des Dnjeprostroj-Wasserkraftwerks, das auch als Plakatmotiv dient.
Es wirkt wie ein visuelles Echo auf das heroische Menschenbild, das in der stalinistischen Kultur gepflegt – und von sowjetischen Künstlern gefordert – wurde. Leider werden diese ästhetisch-gesellschaftlichen Bezüge in der Ausstellung, die inhaltlich allein der Biographie der Künstlerin folgt, kaum bis gar nicht thematisiert.
Fotos vom Bombardement des Kreml
1938 reist Bourke-White nach Mitteleuropa. In ihren Berichten, zu denen sie die Texte oft selbst schreibt, dokumentiert sie die Sudeten-Krise in der Tschechoslowakei und den sich verschärfenden Antisemitismus: Fotografien von faschistischen Aufmärschen und fanatischen Anhängern kontrastiert die Schau mit Bildern des traditionellen Lebens osteuropäischer Juden, etwa in Talmud-Schulen.
1941 kehrt Bourke-White in die Sowjetunion zurück. Als die Wehrmacht einfällt, ist sie die einzige westliche Foto-Reporterin in Moskau. Am 19. Juli nimmt sie vom Dach der US-Botschaft aus das nächtliche Bombardement des Kreml auf: Seine Silhouette wird von Scheinwerfern der Luftabwehr und Leuchtspur-Munition beleuchtet.
Größtmögliche ästhetische Wirkung
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "True Stories - Amerikanische
Fotografie aus der Sammlung Moderne Kunst" in der Pinakothek der Moderne, München
und hier eine Besprechung der Ausstellung
"Henri Cartier-Bresson:
Die Geometrie des Augenblicks" im Kunstmuseum Wolfsburg
sowie hier Eindrücke der Ausstellung "André Kertész - Fotografien" im Martin-Gropius-Bau, Berlin.
Zugleich belegt diese Aufnahme, wie Bourke-White bei wirklich jedem Motiv nach größtmöglicher ästhetischer Wirkung strebte – ganz egal, was es zeigte. Falls die Amerikanerin noch andere Kriterien berücksichtigt hat, erfährt man in der Ausstellung darüber wenig.
Fotos als Zeitzeugnisse
Doch Bourke-White war keine unabhängige Künstlerin: Ihre Bild-Berichte während des Krieges verbreiteten patriotische Botschaften. Auch ihre übrigen Reportagen für mehrere der auflagenstärksten US-Illustrierten haben die öffentliche Meinung stark mitgeprägt: Sie sind Zeitzeugnisse. In jedem Fall wirken diese Bilder noch nach Jahrzehnten so stark, dass sie ihre Fragen gleichsam von selbst stellen.