Köln

Das göttliche Herz der Dinge – Altamerikanische Kunst aus der Sammlung Ludwig

Gefäß mit erotischer Szene (Detail), Fundort Peru, ca. 300 - 600 n.Chr. Foto: Rautenstrauch-Joest-Museum.
Mehr als Azteken, Maya und Inka: Vor Ankunft der Spanier blühten in Lateinamerika seit Jahrtausenden Hochkulturen. Über ihre Künste bietet das Rautenstrauch-Joest-Museum einen anschaulichen Überblick – inklusive erotischer Keramik aus Peru.

Der Weltuntergang ist ausgefallen. Am 22. Dezember ging wie gewohnt die Sonne auf – was Esoteriker aller Couleur enttäuschte: Sie hatten ihre Apokalypse-Erwartungen auf einen 1300 Jahre alten Maya-Kalender gegründet, der für dieses Datum eine neue Ära ankündigte.

 

Info

Das göttliche Herz der Dinge – Altamerikanische Kunst aus der Sammlung Ludwig

 

29.09.2012 - 03.03.2013
täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr im Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstr. 29 - 33, Köln

 

Weitere Informationen

Genauso langlebig ist die altamerikanische, so genannte präkolumbische Kunst. Als die Spanier Mittel- und Südamerika entdeckten, trafen sie auf einen uralten Hochkultur-Raum. Die Reiche der Azteken in Mexiko und der Inkas in Peru waren vergleichsweise jung: Sie bestanden seit weniger als 200 Jahren.

 

Aufwändige Kunst-Produktion

 

Doch ihre Vorläufer reichten Jahrtausende zurück. Seit alters her hatten Völker zwischen Kalifornien und Chile differenzierte Gesellschaften mit hoch entwickeltem Handwerk und aufwändiger Kunst-Produktion ausgebildet.

 

So unterschiedlich diese waren, hatten sie doch manches gemeinsam: ein zyklisches und dualistisches Weltbild, in dem Leben und Tod eng verschränkt waren; eine vielköpfige Götter-Schar, die Mischwesen aus Mensch und Jaguar, Schlange oder Vogel symbolisierten, und eine stark stilisierte Formensprache, die oft starr und abweisend wirkt.

Impressionen der Ausstellung


 

Groß-Sammler der alten Bundesrepublik

 

Einen hervorragenden Überblick über die altamerikanischen Kunst-Epochen bietet die Ausstellung der Sammlung Ludwig im Rautenstrauch-Joest-Museum. Peter und Irene Ludwig waren die bekanntesten Groß-Sammler der alten Bundesrepublik. Bevor sie lastwagenweise Gegenwarts-Kunst aufkauften, trugen sie Antiken, Alte Meister und Werke außereuropäischer Kulturen zusammen.

 

Anfang der 1960er Jahren gaben die Ludwigs rund 200 präkolumbische Objekte als Dauerleihgaben ins Museum. 2003 gingen sie in den Besitz des Hauses über; nun werden sie erstmals seit 1985 vollständig gezeigt. Der Titel «Das göttliche Herz der Dinge» weist auf eine Besonderheit hin: Kaum ein Exponat war profan; die meisten hatten religiöse Bedeutung und wurden rituell verwendet.

 

Zwei parallele Ellipsen für zwei Regionen

 

Etwa die fast zwei Meter hohe Stein-Skulptur des Azteken-Gottes Ehecatl («Wind»), die Besucher am Eingang begrüßt. Als Erscheinungsform des Ober-Gottes Quetzalcoatl («Gefiederte Schlange») bereitete er das Land auf die Ankunft Regen bringender Götter vor. Sein spiralförmig gewundener Körper verweist auf ein Natur-Phänomen: Vor der Regenzeit durchziehen Windhosen das trockene Zentral-Mexiko.

 

Die Ludwigs sammelten archäologische Funde aus Mittelamerika und dem Anden-Raum. Doch die Ausstellung reiht sie nicht chronologisch auf, sondern setzt sie zueinander in Bezug: Die Gegenstände beider Regionen sind parallel zu zwei Ellipsen angeordnet, so dass Objekte mit ähnlicher Funktion miteinander korrespondieren – etwa Gefäße.

 

Explizit erotische Keramiken aus Peru

 

Links stehen ausdrucksstark modellierte Exemplare der Maya-Kultur von Südmexiko bis Guatemala: drei Deckel-Behälter für Weihe-Opfer, eine dreifüßige Urne mit Götter-Relief und ein Weihrauch-Behälter mit vollplastischem Antlitz des Jaguar-Gottes, über dem der Vogel-Gott thront.

 

Gegenüber findet sich Pikantes. In Alt-Peru wurde die expliziteste erotische Keramik der Welt angefertigt. Versierte Töpfer schufen Figuren in allen denkbaren Positionen: von vorne, von hinten, bei Masturbation, Anal-Koitus, Fellatio und Nekrophilie. Auch diese delikaten Kreationen hatten einen religiösen Sinn.

 

Sex für kosmisches Gleichgewicht

 

Sexuelle Akte wurden als Verbindung zu sakralen Mächten aufgefasst, um das kosmische Gleichgewicht und die hierarchische Gesellschafts-Ordnung zu bewahren: Die meisten dargestellten Akteure sind hochrangige Personen.

 

Ähnlich exotisch sehen viele Schmuckstücke aus Gold aus; dessen Bearbeitung ist in Südamerika seit 3000 Jahren bekannt. Während in Kolumbien das Edelmetall gegossen wurde, bevorzugte man in Peru Treib-Arbeiten: Hauchdünne Folien wurden mit Gravur und Punzierung reich verziert.

 

Ohr-Pflöcke + Gold-Platten als Nasen-Zierrat

 

Gold-Schmuck als Status-Symbol für die Oberschicht ging über Ringe und Ketten weit hinaus. Elliptische Platten wurden als Nasen-Zierrat getragen, ausladende Kronen und Standarten ringsum mit goldenen Anhängern besetzt. In den Ohren trug man breite Pflöcke, die Ohrläppchen enorm weiteten. Tote wurden mumifiziert und ihre Gesichter mit Gold-Masken belegt.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "1000 Jahre Inkagold" im Novomatic Forum, Wien

 

und hier einen Beitrag über den Film "Und dann der Regen" von Icíar Bollaín mit Gael García Bernal über postkoloniale Konflikte zwischen Spaniern + Indios

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Die Macht des Schenkens" über Rituale kanadischer Indianer in der Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden.

Weniger spektakulär, aber nicht weniger fremdartig sind so genannte Steck-Schwerter; die Ausstellung zeigt zwei bestens erhaltene Exemplare. Ihre Spaten-artige Holz-Konstruktion besteht aus einem Brett mit langem, reich beschnitzten Stock, den Tierfiguren krönen. Damit wurden vermutlich Gräber markiert

 

Kubistische Katze aus Mexiko

 

Während die Ikonographie dieser Riten längst ausgestorben ist, erscheinen andere Objekte überraschend zeitgenössisch. Etwa die 80 Zentimeter hohe Skulptur einer Raubkatze aus Zentralmexiko, die im 14./15. Jahrhundert entstand: Mit äußerst reduzierten Formen, blockartigen Gließmaßen und konturlosem Kopf wirkt sie gleichsam kubistisch.

 

So liefert diese kompakte, aber klug komponierte und kommentierte Schau eine anschauliche tour d’horizon durch die Vielfalt der Künste im alten Amerika – und macht deutlich, dass sie sich ähnlich variantenreich entwickelten wie in anderen Hochkulturen. Bis sie mit einem Schlag untergingen: Nachdem die spanischen Eroberer gewütet hatten, blieben in ihren Kolonien davon nur noch Spurenelemente übrig.