Knoten-Schnüre als Schrift-Ersatz
Was man nur aus dem Begleitheft oder Katalog erfährt; in der Schau selbst gibt es keine Erläuterungen. Das mag in reinen Kunst-Ausstellungen angebracht sein, um nicht von konzentrierter Werk-Betrachtung abzulenken. Doch hier ist es verfehlt: Selbst die prächtigsten Objekte enthüllen ihren kulturellen Stellenwert nur durch Erklärungen.
Das wird klar, sobald man die anschaulich formulierten Begleit-Texte liest. Ein Fächer aus Knoten-Schnüren entpuppt sich als Aufzeichnungs-System der Inka, die keine Schrift kannten: Mit solchen quipu hielten sie wichtige Informationen fest – die heute unentzifferbar sind.
Grabstein-Export aus Indien nach Afrika
Geometrische Geflechte aus Holzstäben und Kauri-Muscheln wurden auf den Marshall-Inseln als See-Karten benutzt: Stäbe zeigen Strömung und Dünung an, Muscheln die Position von Inseln. Im alten Japan befestigten Männer Geld- oder Tabak-Beutel mit raffiniert geschnitzten Knebeln an ihrer Kleidung: Diese netsuke zeigen alle möglichen Motive.
Andererseits findet seit alters her kultureller Austausch auch über größte Distanzen statt: Die antike Gandhara-Kultur im heutigen Afghanistan vereinte griechische und indische Einflüsse. Muslimische Marmor-Grabsteine aus Westindien wurden schon im Mittelalter nach Ostafrika und Jemen exportiert.
Nur 13 Beiträge für die Gegenwart
Während der Renaissance schnitzten Kunsthandwerker in Sierra Leone Prunk-Pokale aus Elfenbein mit afrikanischen Motiven für Abnehmer in Europa. Und noch 1805 fertigte eine Schmiede in London einen Pfeifen-Tomahawk für amerikanische Indianer an, mit dem Häuptlinge ihre Friedenspfeife rauchen konnten.
Hintergrund
Lesen Sie hier einen Beitrag über die Ausstellung
"Das göttliche Herz der Dinge" im Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln
und hier eine Rezension der Schau "Glanz der Kaiser von China", über Kunst und Leben in der Verbotenen Stadt, im Museum für Ostasiatische Kunst, Köln
sowie einen Beitrag über die Ausstellung "Art and Design for All - The Victoria Albert Museum" in der Bundeskunsthalle in Bonn.
Gratis-Eintritt in London
Allerdings lassen sie erahnen, wie Künstler aller Kontinente ehemals westliche Techniken einsetzen. Der Tunesier Nja Mahdaoui schmückt Tücher mit abstrakten Mustern, die arabischen Schriftzeichen ähneln. Der Ghanaer El Anatsui verwebt Stoffe mit Kronenkorken und Flaschenhals-Folien – verführerisch glitzernde Konsum-Kritik. Wie vom Haida-Indianer Michael Yahgulanass: Er bemalt Motorhauben mit traditionellen Motiven.
Eine faszinierende tour d´horizon durch alle Epochen und Weltgegenden; sie macht auf engstem Raum zahllose Parallelen und Gegensätze deutlich. Und nach diesem Appetit-Happen Lust auf ein mehrgängiges Menü, um die Schätze des British Museum gründlich zu erkunden. Zumal das Haupthaus einen unschlagbaren Vorteil hat: In Bonn kostet der Eintritt zehn Euro, in London ist er seit jeher kostenlos.