
Trash as trash can: Harmony Korine ist der Kino-Chronist der US-Unterschicht. Als Jugendlicher hing er in der Skater-Szene seiner Heimatstadt Nashville ab. Seine Erfahrungen mit Langeweile, billigen Drogen und schnellem Sex schrieb er zum Drehbuch für «Kids» zusammen, das der ähnlich geprägte Fotograf Larry Clark 1995 in New York verfilmte.
Info
Spring Breakers
Regie: Harmony Korine,
92 min., USA 2012;
mit: James Franco, Selena Gomez, Vanessa Hudgens
Kurzurlaub mit Ausschweifungen satt
Aus seinem poor white trash-Kosmos bricht Korine mit «Spring Breakers» erstmals aus. Kurzurlaube im sonnigen Süden während der Frühlings-Semesterferien sind das glatte Gegenteil: fun in the sun, Alkohol und Party satt mit Ausschweifungen aller Art – Ballermann in Florida oder Mexiko. Für eine bis zwei Wochen; dann geht es gesittet zurück an den heimischen Studien- oder Arbeitsplatz.
Offizieller Filmtrailer
Mörderischer Kater ist abzusehen
Die brünstige Atmosphäre aus kollektivem Ausflippen mit Sangria-Eimern und viel nackter Haut fangen die ersten Einstellungen perfekt ein: Mit Endlos-Schwenks durch eine tobende Party-Meute am Strand, während pumpende Beats auf der Tonspur langsam absaufen, als sei der mörderische Kater schon abzusehen. Korine hat ein feeling für Jugendkultur-Rituale.
Doch weder für Dramaturgie noch Figurenzeichnung: Vier College-Girls (darunter die US-Bubblegum-Stars Selena Gomez und Vanessa Hudgens) fantasieren zwar von Schwänzen und rauchen ständig dope und Crack, wirken aber völlig profillos und unbedarft. Um an Geld zu kommen, fällt drei von ihnen plötzlich ein, einen fast food joint mit Wasserpistolen auszurauben – was auch noch klappt.
Terzett mit MGs + rosa Skimasken
Nun fix nach Florida und mit Vollgas in die Dauer-Party, wo schräge Typen Koks von ihrer Bauchdecke sniefen. Was der Viererbande eine Nacht in der Ausnüchterungs-Zelle und einen Termin vor dem Schnellrichter einbringt. Da kauft sie der groteske Drogen-Boss Alien frei (James Franco mit Zöpfchen und Silber-Kauleiste) – und verguckt sich sofort in das Teenie-Quartett.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Paradies: Liebe" von Ulrich Seidl über weiblichen Sex-Tourismus in Afrika
und hier eine Besprechung des Films "Miss Bala" von Gerando Naranjo über den Drogen-Krieg in Mexiko
und hier einen Beitrag zum Film "Savages" von Oliver Stone über Drogenbanden-Kriege in Kalifornien
Zumutung für Nüchterne
So wirr und willkürlich dieser Plot ist, ginge das Ganze doch als leidlich amüsante Parodie auf US-College-Komödien durch. Würde Korine nicht den Ausnahmezustand seiner Protagonisten in eine Art hypertrophe Videoclip-Ästhetik umsetzen: bonbonbunte Farben, unmotivierte Vor- und Rückblenden, ständige Wiederholung von Bildfolgen und Dialogfetzen – als sei das ein Remake des Oliver-Stone-Films «Natural Born Killers» auf Ketamin.
Mag sein, dass dauerbedröhnte party people ihren Florida-Aufenthalt genau so erleben. Für Zuschauer, die allenfalls ein Bier intus haben, ist es eine Zumutung – wie jeder Trip, an dem man selbst nicht teilhat. Der Film gleicht einem überlangen Werbespot für spring break-Reiseveranstalter, die schrankenlose Exzesse versprechen, aber nur Pauschal-Arrangements liefern; wie Korine dauernd blanke Busen ins Bild rückt, doch Blicke unter die Gürtellinie amerikanisch prüde scheut.