Jede Zeit hat ihre Zivilisations-Krankheiten. Vor 100 Jahren wurde häufig Hysterie diagnostiziert, heute sind es Depressionen, Burnout und Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS). Und jede Zeit behilft sich mit angeblichen Allheilmitteln: Vor 100 Jahren wurden Frauen gern Vibrator-Behandlungen verschrieben, heute sind es Antidepressiva und Ritalin.
Info
Side Effects
Regie: Steven Soderbergh
107 Min., USA 2013,
Mit: Jude Law, Rooney Mara, Channing Tatum
Legale Drogen wirken stärker
Dabei sind Psychopharmaka nicht nur legale, sondern auch sehr effektive Drogen: Sie wirken viel stärker als zweifelhafte Mixturen, die in Hinterzimmern zusammengepanscht werden. Und sie werden nicht von Außenseitern, sondern Leistungsträgern konsumiert. Genauer: Denjenigen, die es waren, bevor ihre Psyche nicht mehr mitspielte – und die rasch wieder fit sein wollen.
Offizieller Filmtrailer
Gatten-Mord nach Pillen-Test
Wie Emily Taylor (Rooney Mara): Sie lebte mit ihrem Mann (Channing Tatum) in Saus und Braus, bevor der Broker wegen Insiderhandels in den Knast wanderte. Als er nach vier Jahren Haft entlassen wird, hat Emily ihre seelische Stabilität verloren. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wird sie von Dr. Jonathan Banks (Jude Law) behandelt.
Der Psychiater ist ein Star seiner Profession und stets bereit, neue Präparate in Studien zu testen: Dafür zahlen Pharma-Firmen gut. Auf Anraten seiner Kollegin Dr. Siebert (Catherine Zeta-Jones) verabreicht Banks probeweise Emily die Pille «Ablixa» – und sie ersticht ihren Mann. Ein Desaster für den Arzt: Patienten laufen weg, die Polizei ermittelt gegen ihn und seine Frau trennt sich.
Thriller als Beruhigungsmittel
Doch der Super-Doc gibt nicht auf: Allein gegen alle forscht er auf eigene Faust nach und deckt eine perfide Intrige auf. Die führt weit weg aus der Welt der Psychiatrie dorthin, wo Thriller üblicherweise angesiedelt sind: in eine Gemengelage aus Leidenschaft, Gier und krimineller Energie.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Magic Mike" von Steven Soderbergh mit Channing Tatum als Stripper
und hier einen Bericht über den Film-Essay "Global Virus - Die Virus-Metapher" von Madeleine Dewald + Oliver Lammert
und hier ein Beitrag zum Film "Contagion" von Steven Soderbergh mit Jude Law über eine Seuchen-Katastrophe
Ärzte als Pharma-Erfüllungsgehilfen
Was schade ist; auf halber Strecke verliert das Drehbuch die Ausgangs-Konstellation völlig aus dem Blick. Samt der Problematik, die sich darin verbirgt: ein riesiger pharmazeutisch-industrieller Komplex, der alles daran setzt, damit möglichst viele Menschen möglichst lange seine Produkte schlucken.
Dabei werden Ärzte aus Eigeninteresse zu Erfüllungsgehilfen: Pillen verschreiben ist die einfachste und lukrativste Behandlung. Auf Patienten individuell einzugehen, verschlingt kostbare Zeit.
Lukratives Erfolgsrezept
Regisseur Soderbergh hat 2011 gezeigt, dass er medizinische Sujets ernst nehmen kann: «Contagion» überzeugte als Gedankenspiel über Epidemien im Zeitalter der Globalisierung. Diesmal dient ihm Psychiatrie nur als Aufhänger, um einen routiniert konstruierten Genre-Film abzuspulen; in Hollywood immer noch ein Erfolgsrezept ohne Risiken und Nebenwirkungen.