Weimar + Jena

Henry van de Velde

Von Henry van de Velde entworfener Salon im Nietzsche-Archiv, Weimar. Foto: Jens Hauspurg © VG Bild-Kunst, Bonn 2013
Der Alleskünstler: Henry van de Velde war ein genialer Gestalter – für alles vom Fährschiff bis zum Manschetten-Knopf. Zum 150. Geburtstag präsentiert das Neue Museum Weimar sein Jugendstil-Gesamtwerk, und die Kunstsammlung Jena sein Umfeld.

So viele Spuren wie Henry van de Velde (1863 – 1957) hinterlassen nur wenige Künstler. Auf ihn stößt man überall in Mitteleuropa zwischen Belgien und der Schweiz. Eine seiner Kreationen kennt jeder, der je einen belgischen Zug gesehen hat: Das Signet der Bahngesellschaft – ein gedrungenes «B» im liegenden Oval – hat van de Velde designt.

 

Info

Leidenschaft, Funktion und Schönheit. Henry van de Velde und sein Beitrag zur europäischen Moderne

 

24.03.2013 - 23.06.2013

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr im Neuen Museum, Weimarplatz 5, Weimar

 

Katalog 39,90 €

 

Weitere Informationen

 

Der ewige Wanderer - Henry van de Velde in Jena

 

10.03.2013 - 26.05 2013

täglich außer montags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 15 bis 22 Uhr, am Wochenende bis 18 Uhr in der Kunstsammlung, Markt 7, Jena

 

Katalog 28 €

 

Weitere Informationen

Wie 1000 andere Dinge. In den Häusern, die der Autodidakt ohne Architekten-Ausbildung entwarf, war alles von seiner Hand: von der Fassade über die Inneneinrichtung bis zum Esstisch-Besteck. Fährschiffe wurden ebenso nach seinen Plänen gestaltet wie Eisenbahn-Waggons oder ein Tennis-Club. Man könnte in einer komplett nur von van de Velde ausgestatteten Wohnung leben – bis hin zu Krawatten-Nadeln und Manschetten-Knöpfen.

 

25 Ausstellungen

 

Besonders fruchtbar für den gebürtigen Flamen waren die 15 Jahre zwischen 1902 und 1917, als er in Weimar wohnte und in Thüringen und Sachsen wirkte. Beide Bundesländer haben zum 150. Geburtstag das «Van-de-Velde-Jahr» ausgerufen: mit nicht weniger als 25 Ausstellungen und etlichen weiteren Veranstaltungen.

 

Die zentrale Schau richtet das Neue Museum in Weimar aus; unter dem etwas umständlichen Titel «Leidenschaft, Funktion und Schönheit: Henry van de Velde und sein Beitrag zur europäischen Moderne». Es ist die erste Retrospektive seit 20 Jahren; zudem laut Veranstalter die erste Würdigung des Gesamtwerks dieses Jugendstil-Künstlers.

Impressionen der Ausstellung im Neuen Museum, Weimar; © Mythos Olympia


 

Jugendstil-Künstler contre cœur

 

Ein Etikett, dass van de Velde stets abgelehnt hat. Nicht zu Unrecht: Seine Werke haben mit den wuchernden Schnörkeleien seines Landsmanns Victor Horta, von Gustav Klimt in Wien oder Alfons Mucha in Prag nichts gemein. Doch van de Veldes elegant geschwungene Linien, die floralen Formen entlehnt sind, gelten heute als reinster Jugendstil – verglichen mit der schnöden Schmucklosigkeit, die danach kam.

 

Wogegen van de Velde wohl gewettert hätte. Er war ein wortgewaltiger Verfechter seiner Ansichten, die er in zahllosen Aufsätzen darlegte und damit enormen Einfluss ausübte. Anfangs galt er Avantgardist. Zumindest, nachdem er sich ab 1890 von der Malerei – in der er virtuos, doch zweitrangig blieb – ab- und dem Kunstgewerbe zugewandt hatte.

 

Wer ohne Dekor lebt, lebt verkehrt

 

Begeistert von der britischen Arts & Crafts-Bewegung um William Morris, wollte er mit künstlerischer Gestaltung des Alltags die Gesellschaft verbessern. «Die vollkommene Anpassung einer Form an ihren Zweck schafft immer auch Schönheit», stellte er 1901 fest. Das ist nah an form follows function, dem Design-Dogma der Moderne, aber mit einem entscheidenden Unterschied.

 

Für van de Velde sollte Formgebung nicht nur funktional, sondern auch schön sein – damit war dezentes Dekor geradezu geboten. «Ich versichere, dass die Schönheit eine Waffe ist, und das Mittel ist revolutionär!», hämmerte er 1895 mit zeittypischem Pathos: «Wer sein Leben ohne ständig vorhandenes Dekor lebt, der lebt sein Leben nicht voll.»

 

Durchbruch 1897 in Dresden

 

Heutzutage ist kaum vorstellbar, dass Massivholz-Möbel und feines Porzellan sozialrevolutionär wirken sollten, aber in der Belle Epoque war das anders. Das erfuhr van de Velde 1895, als er erstmals drei Muster-Räume in der Pariser Galerie «L´Art Nouveau» ausstellte: Sie wurden von der Presse verrissen. Zwei Jahre später fanden seine Interieurs auf der «Internationalen Kunstausstellung» in Dresden großen Anklang: Schlagartig wurde er in Deutschland berühmt und erhielt üppig dotierte Aufträge.