Murnau

Alpenglühen: Die Berglandschaft als Sehnsuchtsort

Heinrich Bürkel: Bauernhof vor Garmisch, Mitte 19. Jhd., Öl auf Leinwand, Privatsammlung. Foto: Schloßmuseum Murnau
Von der Sommeridylle bis zur Mondlandschaft: Seitdem das Hochgebirge zugänglich ist, spiegeln Bilder die Wünsche und Ängste seiner Betrachter. Das führt das Schlossmuseum als kleine Kulturgeschichte mit rund 80 Werken vor.

Der Berg ruft: Was die hier ausgestellten Maler faszinierte, steht dem Besucher schon bei der Anfahrt auf Murnau vor Augen. Am Horizont ragt das Massiv der Wetterstein-Berggruppe wie eine Wand auf, mit schneebedeckten Gipfeln bis weit ins Jahr hinein. Überall im Ort bleibt die hohe Berggruppe stets sichtbar.

 

Info

 

Alpenglühen: Die Berglandschaft als Sehnsuchtsort

 

21.03.2013 - 23.06.2013

täglich außer montags

10 bis 17 Uhr

im Schloßmuseum Murnau
Schloßhof 2-5, Murnau
 

Weitere Informationen

 

Murnaus idyllische Lage im Voralpenland zieht Maler seit dem 19. Jahrhundert an. Am stärksten wohl den Expressionisten-Zirkel des „Blauen Reiters“: Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin wohnten und arbeiteten von 1908 bis 1914 in der Kleinstadt. Münter sollte 1931 zurückkehren und bis an ihr Lebensende 1962 bleiben; ihr Haus ist heute eine Touristen-Attraktion.

 

Kulturgeschichte der Berg-Begeisterung

 

Doch bereits im 19. Jahrhundert strömten die Landschaftsmaler der „Münchener Schule“ im Sommer nach Murnau. Mit ihren Werken – vor allem Leihgaben einer Privatsammlung – führt das Schlossmuseum eine kleine Kulturgeschichte der Berg-Begeisterung vor. Ohne lokale Nabelschau: Die Mehrzahl der Motive entstammt anderen Alpen-Regionen.

Impressionen der Ausstellung


 

Wohnort der Götter

 

Ein etwas knapp geratener Prolog holt historisch weit aus: Seit jeher sind Berge hoch symbolisch besetzt. In der Antike wurde der Argaios im anatolischen Kappadokien gar als Gott verehrt. Gipfel stehen für den Wohnort der Götter und Genies; sie sind der Sitz des Guten, das wie bei einer beschwerlichen Bergbesteigung nur mit mühseliger Ausdauer zu erreichen ist.

 

Während des Aufstiegs lauern tödliche Gefahren: Einen kletternden Gebirgsjäger reißt die leicht bekleidete „Alpenbraut“ (1864) von Leopold von Bode hinterrücks in die Tiefe. Solche moralischen Allegorien sind Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich schon nicht mehr en vogue; die Tugend-Metaphorik hat ausgedient.

 

Wandervögel und Sommerfrischler

 

Das Hochgebirge wird erschlossen, für immer mehr Wandervögel und Sommerfrischler persönlich erfahrbar, und die Kunst reagiert darauf. Einerseits mit romantischen bis realistischen Ansichten einer unberührten Bergwelt, die sich auf Naturschauspiele mit atmosphärischen Valeurs konzentrieren. Andererseits mit biedermeierlichen Genre-Bildern von malerischen Dorf-Szenen und pittoreskem Personal, in denen die Bergwelt heile und heiter erscheint.

 

Ende des Jahrhunderts widmen sich Maler, passend zum positivistischen Zeitgeist, dem Hochgebirge mit fast wissenschaftlicher Präzision. Der Engländer Edward Theodore Compton lässt sich 1874 am Starnberger See nieder. Bis in die 1920er Jahre schafft er Hunderte exakter Ansichten von Alpen-Gipfeln, die sich glänzend verkaufen.

 

Neusachliche Malerei

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Bilder von Walter Leistikow" - «Die Welt will Grunewald von mir» im Bröhan-Museum, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Camille Corot: Natur und Traum" - beeindruckende Retrospektive in der Staatlichen Kunsthalle, Karlsruhe

 

und hier einen Bericht über den Film "Das grüne Wunder - Unser Wald" - aufwendige Dokumentation vom Naturfilmer Jan Haft.

 

Davon hielten die Expressionisten wenig. Ihnen dienen die Berge als Hintergrund für flächige Landschaften mit farbintensiven Akzenten. Mal bringen zackige Gipfel und Schluchten Dynamik ins Bild, mal dienen sie nur als alles überwölbende Kulisse für grelle Farbkontraste.

 

Fast monochrom sind dagegen Berg-Darstellungen der neusachlichen Malerei in den 1920/30er Jahren, etwa von Alexander Kanoldt. Für ihn waren Gipfelhöhen eine Region, „wo es eigentlich in die Abstraktion geht. Wo keine Beziehung zum Menschlichen mehr vorhanden ist. Da verlieren sich alle Maßstäbe. Da stellt die Natur tatsächlich Probleme.“

 

Visuelle Essenz

 

Die setzt er in kristallklare Lithographien und Gemälde um: Starke Konturen betonen scharfkantige Gesteins-Formationen, der Blick verliert sich in einem so wohlgeordneten wie ziellosen Gewirr von Geraden. Die Alpen sind hier eine abweisende Welt, seit Äonen unbewegt und so unwirtlich wie der Mond.

 

An diese Tradition schließt unter den Zeitgenossen der Österreicher Herbert Brandl an. Seine großformatigen Monotypien wirken fast abstrakt und erinnern doch unverkennbar an Berge: Heftige Pinselschwünge wie im Informel gruppieren sich zu Waldsäumen und Felswänden – Gebirge wird auf seine visuelle Essenz reduziert.

 

Das hat wenig mit dem Alpen-Erlebnis von Massentourismus und Skizirkus zu tun. Aber es gibt den Bergen ihre majestätische Unnahbarkeit jenseits der bewohnbaren Welt zurück.