In Indien werden jedes Jahr etwa 900 Filme produziert, mehr als in jedem anderen Land; 1,2 Milliarden Inder geben Milliarden von Rupien für Tickets aus. Der Bedarf an Filmen mit neuen Geschichten und exotischen Kulissen wächst weiter, denn Indien hat sich geöffnet und verändert: Die rund 300 Millionen Menschen zählende Mittelschicht verfügt über bessere Bildung und Zugang zu neuen Medien – auch aus dem Ausland.
Info
Englisch für Anfänger - English Vinglish
Regie: Gauri Shinde
133 Min., Indien 2012
mit: Sridevi, Mehdi Nebbou, Adil Hussain
Zwischen Tradition und Moderne
Genau diesen Spagat muss auch die Protagonistin Shashi (Sridevi) in Gauri Shindes Debütfilm „Englisch für Anfänger“ aushalten. Sensibel und mit detailgetreuen Alltagsbeobachtungen gelingt Shinde eine Komödie, die ganz leicht daherkommt und gleichzeitig eine berührende Geschichte über Mut, Veränderung und Emanzipation erzählt.
Offizieller Filmtrailer
Nur Hausfrau und Mutter
Als Hausfrau und Mutter fühlt sich Shashi zunehmend unwohl: Ihre Kinder und ihr Ehemann leben das moderne Leben der indischen Mittelschicht, während sie den Haushalt führt und die Interessen ihrer Familie stets über ihre eigenen Bedürfnisse stellen muss. Englisch wird immer mehr zur Sprache innerhalb der Familie; Shashi, die mangels höherer Bildung nur Hindi spricht, kann nicht mithalten.
Tochter Sabna schämt sich für die ungebildete Mutter, die auf dem Elternabend ihrer elitären Privatschule aus dem Rahmen fällt. Da Sabnas Klassenlehrer aus dem Süden des Landes kommt und kein Hindi spricht, kann sich Shashi nicht mit ihm unterhalten. Gauri macht in solchen Szenen anschaulich, wie sehr sich das Leben in Indien innerhalb von nur zwei Generationen verändert hat.
Hochzeit in New York
Als Nichte Radha in New York heiratet, beschließt die Familie, dass Shashi bei den Vorbereitungen helfen und vorab alleine nach Amerika reisen soll, bis Mann und Kinder zur Feier nachkommen. Ein Albtraum für die schüchterne, wenig selbständige Frau, die noch nie im Ausland war. Doch die Reise wird schließlich zu einer Chance, der sich Shashi mutig stellt und die ihr neue Wege zu Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung öffnen.
Denn Shashi hat nach diversen Kommunikationsproblemen – wer die Ungeduld der coolen New Yorker schon einmal erlebt hat, wird mit ihr mitfühlen können – die Nase voll und meldet sich heimlich zu einem Englischkurs an.
Der gut aussehende französische Koch
Nun beginnt der heiterste Teil des Filmes! Mit viel Witz und Liebe zum Detail wird die bunt zusammen gewürfelte Gruppe der Sprachschüler zur Ersatz-Familie von Shashi im Exil: Vom pakistanischen Taxifahrer über die mexikanische Nanny und den schweigsamen Afrikaner, bis hin zu Laurent, dem gut aussehenden französischen Koch (Mehdi Nebbou).
Die kulturellen Unterschiede der Schar und ihre tapferen Versuche, eine neue Sprache zu erlernen, sind präzise beobachtet und eignen sich hervorragend für ein richtiges feelgood-movie. Shashi genießt neue Erfahrungen und auch die Bewunderung, die ihr Laurent entgegen bringt. Allerdings muss sie sich nun auch zwischen Pflicht und Selbstentfaltung entscheiden.
Sridevis Comeback
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
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Durch die internationale Besetzung und Geschichte können westliche Zuschauer durchaus mithalten. Fremde und Fremdsein sind schließlich universelle Themen, die jeder schon mal erlebt hat. Es ist erfrischend, dieses Thema einmal aus einer asiatischen nicht aus der gewohnten westlichen Perspektive präsentiert zu bekommen.
Ein Muss für Bollywood-Fans
Am Ende findet Shashi den Mittelweg zwischen Tradition und Moderne und bekennt sich stolz zu ihren indischen Wurzeln. Auch hier spürt man ihn wieder den Culture Clash: Als westlicher Zuschauer wünscht man Shashi durchaus eine größere Veränderung. Für eine indische Frau mag es allerdings schon einer Revolution gleichkommen, wie selbstbewusst Shashi schließlich in ihre Heimat zurückkehrt. Für Bollywood-Fans und solche, die es werden wollen, ein rundum vergnügliches Muss!