Peter Strickland + Toby Jones

90 Minuten über Film-Tonstudios

Regisseur Peter Strickland. Foto: Rapid Eye Movies
Mit "Berberian Sound Studio" ist Regisseur Peter Strickland ein Psycho-Thriller der besonderen Art gelungen. Ein Gespräch mit ihm und Hauptdarsteller Toby Jones über Avantgarde im Genre-Kino und Film-Ausstattung wie auf alten Platten-Cover.

Mr. Strickland, „Berberian Sound Studio“ erzählt eine Mystery-Geschichte im Kontext des italienischen Giallo-Films der 1970er-Jahre und dabei von den Geräten und Methoden, mit denen damals Filme vertont wurden. Wie kam es zu dieser eigenartigen Mischung?

 

Vieles davon kam daher, dass ich eine Menge Soundtracks aus dieser Ära gehört habe: Ennio Morricones Musik für Giallo-Filme zum Beispiel, aber auch Avantgarde-Musik dieser Zeit, wie die Sängerin Cathy Berberian und deren Stück „Visage“, auf dem sie fast 20 Minuten lang heult. Es ist ein Stück Avantgarde-Musik und war nie als Film-Soundtrack gedacht. Ich aber dachte mir: Was wäre, wenn …? Es ging mir darum, die Verbindung zwischen Academia und der Musik des Exploitation-Kinos zu erforschen. Und zum Teil war ich natürlich von dem etwas lächerlichen Bild eines mittelalten Mannes fasziniert, der Wassermelonen zerhaut.

 

Info

Berberian Sound Studio

 

Regie: Peter Strickland

92 Min., Großbritannien, Deutschland 2012

mit: Toby Jones, Fatma Mohamed, Tonia Satiropoulou, Cosimo Fusco

 

Was hat Sie daran fasziniert?

 

Es gibt ja auf Spielfilm-DVDs oft einen Making-of-Bonus, und der Film-Soundtrack kriegt dabei vielleicht fünf Minuten ab. Wir dachten uns, warum diese Idee nicht mal auf 90 Minuten ausdehnen? Normalerweise geht es ja bei Filmen über Filme um die Regisseure und die Darsteller, und das sind in der Regel die langweiligsten Typen, die es gibt. Wenn du wirklich interessante Geschichten hören willst, musst du die Techniker fragen.

 

Visueller Film über analogen Sound

 

Das Klangkonzept ist zentral für den Film. Wie hat der Ton den Film beeinflusst?

 

Die Musik, die ich gehört habe, hat auch die Struktur des Films beeinflusst. Ich übernahm dafür das Prinzip der Wiederholungen, der Film selbst sollte wie ein loop sein. Und ich übernahm die absurden cut-ups: wenn Du etwas hörst und dabei etwas anderes siehst, ein bisschen wie bei Monty Python. Die Herausforderung war, einen visuellen Film über Sound zu machen. Analoger Sound ist taktil, du kannst ihn berühren, du kannst eine Rasierklinge nehmen und ihn zerschneiden, du kannst eine Tonbandschleife durch den ganzen Raum ziehen, die Aufnahmenotizen … Alles ist visuell. Selbst das Gemüse ist ein Abfallprodukt des Sounds.

 

Film-Tonstudios sind recht leer

 

Das Zentrum des Geschehens im Film ist das Tonstudio. Wie habt Ihr diesen Raum aufgebaut?

 

Der Ursprung war, dass ich mir eine Menge Album-Cover angesehen habe, und auf Reisen in Osteuropa habe ich eine Menge Fotos von Studios gemacht, in Ungarn und der Slowakei. Der größte Einfluss war Luciano Berios Studio in Mailand, das Studio di fonologia. Wir wussten, dass in einem Film-Tonstudio nicht so ein riesiger Gerätepark mit Röhrentechnologie und Analog-Geräten herumstehen würde, denn die sind normalerweise recht leer. Ich aber wollte, dass es mit beeindruckenden Maschinen ausgestattet ist, und gleichzeitig wollte ich den Luxus von viel Raum. Kein Studio dieser Art existiert, wir haben es uns ausgedacht.

 

Exzentriker-Studios im Gartenhaus

 

Welche Rolle spielte die Band „Broadcast“ für den Film?

 

Ich kam zu ihnen als Fan. Ihre Musik hat mir die ganze Welt der tschechischen Soundtracks eröffnet, der italienischen Horror-Soundtracks, aber auch der englischen Sound-Exzentriker. Eine Menge in „Berberian“ kommt auch von der englischen Seite, von den sound excentrics, die im Gartenhaus ihre Studios hatten. „Broadcast“ kannten sich in diesem Kosmos aus, und sie machten nicht einfach nur ein Pastiche, sie kreierten damit eine eigene Welt. „Berberian Sound Studio“ ist also auch von ihnen inspiriert, und so war es völlig logisch, dass ich sie fragte, ob sie den Soundtrack schreiben würden.