Berlin

Kosmos Farbe. Itten – Klee

Paul Klee: Vor dem Blitz, 1923, Aquarell. Foto: Martin-Gropius-Bau
Alles so schön bunt hier: Die Schweizer Johannes Itten und Paul Klee beschäftigten sich am Bauhaus systematisch mit Farb-Theorien. Werke der beiden großen Einzelgänger stellt nun der Martin-Gropius-Bau gelungen einander gegenüber.

Haben Sie rötliche Haare, einen transparenten Teint mit Sommersprossen, grüne oder braune Augen mit gesprenkelter Iris? Dann sind Sie ein klassischer Herbsttyp. Oder haben Sie eher aschblondes Haar, sind blass, werden schlecht braun und schauen durch hellblaue oder graue Augen auf die Welt? Dann kann man Sie wohl dem Sommertyp zuordnen.

 

Info

Kosmos Farbe.
Itten - Klee

 

25.04.2013 -  29.07.2013

täglich außer montags

10 bis 19 Uhr

im Martin-Gropius-Bau, Berlin;

Katalog: 20 €

 

Weitere Informationen

Die Farb-Beratung, die in den 1980er Jahren aufkam, teilt uns alle grob in vier Kategorien ein, die den Jahreszeiten entsprechen. Der Mode- und Kosmetik-Industrie dient sie als probates Mittel, uns zu erklären, wem Olivgrün steht oder wer knalliges Pink besser meiden sollte.

 

40 Jahre Farb-Forschung

 

Die Grundlagen für diese Farb-Schubladen hat der Schweizer Künstler Johannes Itten entwickelt. Nachdem er sich mehr als vierzig Jahre intensiv mit der Wirkung von Farben auseinandergesetzt hatte, malte er 1963 die vier Bilder „Frühling“, „Sommer“, „Herbst“ und „Winter“.


Interview mit Kurator Christoph Wagner + Impressionen der Ausstellung, © "City ilike"


 

Frühlings-Licht + sattes Sommer-Grün

 

Jeweils aus einem Raster von neun mal neun Rechtecken aufgebaut, zeigen die abstrakten Ölgemälde atmosphärische Kompositionen, die sowohl die farbliche Realität der jeweiligen Jahreszeit ausdrücken ,als auch sie um harmonierende Töne erweitern.

 

Im Frühling flackert das Licht durch das pixelartig aufgelöste Raster. Helle Grün-Nuancen beherrschen die Fläche, unterbrochen vom Rosa der Obstblüte und dem Gelb der ersten Blumen. Im Sommer ist das Grün schon satt geworden, Rot und Blau kontrastieren kräftig, die Pixel sind zu eigenständigen Quadraten gereift.

 

Anschluss an Runge, Goethe + Schopenhauer

 

Im Herbst haben die Farbwerte schon ihren Höhepunkt überschritten. Rottöne liegen schwer auf der Schwelle zum Braun, Blautöne tendieren zum überreifen Violett. Im Winter ist den Farben gewissermaßen die Farbe entwichen. Noch bunt, tendiert schon alles gegen Grau.

 

In Ittens Werk erscheinen die vier Saisonstudien nicht nur als kosmetische Typberatung, sondern als Synthese seiner Farbtheorie. Vater dieser Farbenlehre ist der Romantiker Philipp Otto Runge, der sich zeitgleich mit Johann Wolfgang Goethe und Arthur Schopenhauer Anfang des 19. Jahrhunderts einen Wettbewerb lieferte, um das mysteriöse Gebiet der Farb-Wahrnehmung geistig zu durchdringen.

 

Von der Farb-Kugel zum –Stern

 

Während Goethe seine Farbenlehre eher anti-wissenschaftlich anging und Schopenhauer die Farbe höchst philosophisch zu ergründen versuchte, wollte Runge sich und seinen Malerkollegen ein praktikables Handwerkszeug erstellen. Er erfand eine dreidimensionale Frühversion des Pantone-Farbfächers von heute.

 

Im Mittelpunkt seiner „Farbkugel“ mischen sich alle Spektralfarben zu einem gleichmäßigen Grau. Itten klappte diesen Globus nach Art einer Landkarte auf und entwarf 1921 einen „Farbstern“, in dem sich Grund- und Mischfarben aus einem reinen Weiß im Zentrum zum puren Schwarz an der Peripherie entwickeln.

 

„Die Farbe hat mich für immer“

 

Diese pädagogische Grundlagenforschung gehört heute zum Lehrstoff jedes Kunsterziehungs-Unterrichts. Sein malerisches Werk machte Itten zu einem Meister der Farbe in der Avantgarde des 20. Jahrhunderts.

 

Aber gilt nicht eigentlich Paul Klee als Meister der Farbe? Immerhin hatte er doch schon 1914 auf seiner legendären Reise nach Tunis, die er zusammen mit August Macke und Louis Moilliet unternahm, in sein Tagebuch notiert: „Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer. Ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“

 

Heute weiß man, dass Klee die Notiz erst 1921 hinzufügte. Zu einer Zeit, als er gerade seine Lehrtätigkeit am Bauhaus in Weimar aufgenommen hatte, an dem Itten freilich schon seit 1919 tätig war.

 

Itten holte Klee ans Bauhaus

 

Johannes Itten (1888 – 1967) und Paul Klee (1879 – 1940) wuchsen beide sind im Kanton Bern auf. Itten war Schüler von Klees Vater am dortigen Lehrer-Seminar Als junger Dozent des Vorkurses am Bauhaus bemühte er sich um die Berufung des von ihm verehrten Paul Klee an das von Walter Gropius gegründete Institut.

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Wiedereröffnung des Museums Berggruen" - die grandiose Kollektion der Klassischen Moderne in Berlin-Charlottenburg

 

und hier einen kultiversum-beitrag zur Ausstellung "Klee trifft Picasso" - über die Verbindung zwischen Paul Klee und Pablo Picasso im Zentrum Paul Klee, Bern, Schweiz

 

und hier eine Rezension der Ausstellung "Kosmos Runge – Der Morgen der Romantik " - eine Retrospektive des Romantikers Philipp Otto Runge in der Kunsthalle, Hamburg

 

Dort lehrt Itten nur bis 1923, Klee dagegen bis 1930. Beide forschen über die Farbe und begeistern sich für Esoterik, die Klee eher künstlerisch verarbeitet, während Itten zarathustrische Religion und Lebensreform praktiziert.

 

Erstmals gemeinsam ausgestellt

 

Umso verwunderlicher ist, dass beide Künstler trotz vieler Gemeinsamkeiten erst 2012 erstmals gleichberechtigt in einer Ausstellung gezeigt wurden. Kuratiert vom Kunstmuseum Bern, ist die Schau „Itten – Klee. Kosmos Farbe“ nun im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Beider Bemühung um die Farbenlehre steht im Fokus der sehenswerten Ausstellung. Sie zeichnet aber auch nach, wie sich ihr Kunstbegriff weiterentwickelte.

 

Itten blieb trotz aller Verspieltheit im Detail seinem akademischen Anspruch treu. In immer neuen Experimenten versuchte er sich die Farbe zu erklären. Dafür zog er ebenso wissenschaftliche wie psychologische Ordnungs-Modelle heran, von der Astrologie bis zur antiken Temperamentlehre; er spann sie zu seiner späten Farbtypologie weiter.

 

Klee war die Trennung zwischen Künstler- und Lehrerdasein wichtiger. Seine Gemälde verschmelzen die Strömungen der Zeit zu einem dichten Symbolismus, dessen Farbgewalt sich während der letzten Lebensjahre dann in einem explosiven Schaffensdrang befreit.