New York, Paris, Wien: Schöne Städte verlangen nach einer filmischen Würdigung. Am besten dazu geeignet ist der Episodenfilm; dieser widmet sich einer ganz besonderen Stadt – Havanna.
Info
7 Tage in Havanna
Regie: Benicio del Toro, Pablo Trapero, Julio Medem, Elia Suleiman, Gaspar Noé, Juan Carlos Tabío, Laurent Cantet, 129 Min., Frankreich/Spanien 2012;
mit: Josh Hutcherson, Emir Kusturica, Daniel Brühl
Vorhersehbares Nachtleben
Gleich die erste Episode „El Yuma“ von Leinwandstar Benicio del Toro zeigt leicht vorhersehbar einen jungen, unbedarften Amerikaner Teddy (Josh Hutcherson) auf Abenteuer-Trip im Nachtleben von Havanna. Die Frauen sind schön, der Rum ist billig, und sein Chauffeur ein gut ausgebildeter Ingenieur, der als Taxifahrer mehr verdient als in seinem eigentlichen Beruf.
Offizieller Filmtrailer
Ritual treibt lesbische Neigung aus
Am Dienstag lässt der Spanier Pablo Trapero in „Jam Session“ den serbischen Regisseur Emir Kusturica vor dem üblichen Rummel eines Filmfestivals flüchten; mithilfe seines äußerst musikalischen Chauffeurs findet er Ruhe. Der Mittwoch stellt in eine junge Sängerin vor die schwere Entscheidung, entweder mit ihrem neuen spanischen Lover (Daniel Brühl) fortzugehen oder bei ihrem deprimierten Sportler-Mann zu bleiben.
In „Tagebuch eines Neuankömmlings“ von Elia Suleiman versucht am Donnerstag ein Ausländer, den Präsidenten zu interviewen, und am Freitag soll ein „Ritual“ von Gaspar Noé einem halbwüchsigen Mädchen ihre lesbische Neigung austreiben.
Realitätsnähe mit Augenzwinkern
Am Sonnabend kämpft eine TV-Psychologin, die als Nebenverdienst auf Bestellung Torten backt, mit der Suche nach fehlenden Zutaten. Und am Sonntag schließlich beobachten wir in Laurent Cantets Beitrag, wie eine Hausgemeinschaft in der Wohnung einer Nachbarin einen Brunnen für die Gottheit Ochún baut.
Die meisten Episoden in „7 Tage Havanna“ erzählen realitätsnahe, dramatische Geschichten, allerdings fast immer mit einem Augenzwinkern. Sie bewegen sich damit in der Tradition originär kubanischer Filme von „Erdbeeren und Schokolade“ (1993) bis zuletzt „Juan of the Dead“ (2012), die in den letzten zwanzig Jahren in deutschen Kinos liefen.
Optisch facettenreiches Panorama
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Juan of the Dead" - kubanische Zombiefilm-Parodie von Alejandro Brugués
und hier einen Beitrag über den Film "Paulista – Geschichten aus São Paulo"- brasilianischer Episodenfilm von Roberto Moreira
und hier eine kultiversum-Rezension des Films "Enter the Void" - brillanter Experimentalfilm über das Rotlichtviertel in Tokio von Gaspar Noé.
Offensichtlich hat Havanna auf alle Regisseure einen tiefen, bleibenden Eindruck hinterlassen, der sich hervorragend auf das Publikum überträgt. Man spürt ihre große Sympathie für die Bewohner dieser zerfallenden Stadt, die aus Mangel und Chaos das Beste machen – so wie die backende Psychologin, der Nachbarn mit fehlenden Eiern aushelfen.
Von Fernweh gepackt
Das Leben in der kubanischen Metropole ist zweifellos schwierig, aber der Stolz ihrer Bewohner und Liebe zur ihrer Heimatstadtstadt lässt zum Beispiel die Sängerin Cecilia eine ungewöhnliche Entscheidung treffen. Einzig Elia Suleimans Beitrag, eine Hommage an Jaques Tati, fällt mit seinem schrägen, ästhetisierenden Außenseiterblick und ungewöhnlicher Menschenleere aus dem Rahmen.
Auch wenn nicht alle Geschichten gleich gut oder packend sind: Am Ende ist man trotzdem von der Atmosphäre verzaubert und wird von Fernweh gepackt.