Berlin

Imran Qureshi – Artist of the Year 2013

Imran Qureshi: Installationsansicht in der Deutsche Bank KunstHalle. Foto: © Imran Qureshi, Courtesy Corvi-Mora Gallery/ Quelle:Deutsche Bank KunstHalle
Blattgold und Blutstropfen: Der Pakistani Imran Qureshi kombiniert traditionelle Miniatur-Malerei mit verstörenden Akzenten. Die Deutsche Bank KunstHalle widmet nun ihrem "Artist of the Year 2013" eine verführerische Ausstellung.

Blut, mehr Blut, überall Blut – die wandhohen ovalen Scheiben im ersten Raum scheinen als Metzger-Platten gedient zu haben. Was täuscht: Sieht man genauer hin, entdeckt man in den roten Pfützen und Klecksen überall kleine Blütenblätter, aufgetragen in zartem Weiß. Das vermeintliche Massaker enthüllt filigrane Blumensträuße.

 

Info

Imran Qureshi –
Artist of the Year 2013

 

18. 04. 2013 – 04. 08. 2013,

täglich 10 - 20 Uhr,

in der Deutsche Bank KunstHalle, Unter den Linden 13/15, Berlin

 

Weitere Informationen

Blüten sind für ihn ein Symbol des Lebens, sagt Imran Qureshi. Der Pakistani versteht es, sie in unzähligen Varianten zu malen: Er wurde in seiner Heimatstadt Lahore in Miniaturmalerei ausgebildet. Diese Kunstform wird auf dem indischen Subkontinent seit Jahrhunderten gepflegt; mit Motiven wie Herrscher-Porträts, Fest-, Jagd- und Schlacht-Szenen, die mit feinsten Pinseln Punkt für Punkt auf wenigen Quadratzentimetern Papier aufgetragen werden.

 

Rand-Dekor wuchert in Bildmitte

 

Auch Qureshi kopierte jahrelang den klassischen Kanon ab, bis er ihn aufbrach. Er lässt floralen Dekor-Ornamente vom Rand in die Bildmitte wuchern. Er malt Kleider ohne die Personen, die sie tragen. Oder Figuren in tradierter Profilansicht, die er mit modernen Accessoires ausstattet.


Impressionen der Ausstellung


 

Ausstellungs-Architektur wie Gefängnis-Insel

 

Er collagiert und fotokopiert, zeichnet amorph-abstrakte Gebilde und spritzt Farbtropfen aufs Bild. Oder porträtiert sich selbst mit einer Blume in der Hand, dem traditionellen Symbol für Frömmigkeit. Mit einem Wort: Er holt diese in altehrwürdigen Bildformeln erstarrte Kunstform in die Gegenwart.

 

Wie virtuos er dabei vorgeht, zeigt der zweite Teil der Ausstellung. In einem verliesartigen Gewirr aus dunklen Gängen und engen Räumen, zu dem ihn Zellen einer ehemaligen Gefängnis-Insel in Australien inspirierten, hängen in jeder Kammer ein oder zwei Miniaturen.

 

Fein austarierte Farb-Balance

 

Zu sehen sind surreal anmutende Architekturen mit Mauern, Treppen und Höfen; prachtvoll geschmückt mit Blattgold, leuchtendem Lapislazuli-Blau und schimmerndem Blassgrün. Oder Seiten in arabischer Schrift aus medizinischen Lehrbüchern; der Künstler benutzt oft beschriebene Papiere als Malgrund.

 

An Details wie anmutig geschwungenen Ranken, üppigen Baumkronen und winzigen Libellen demonstriert Qureshi seine technische Brillanz. Darüber lässt er rote Farbströme hervorquellen: nicht brachial, sondern wohlkalkuliert. Sie sprengen die Idylle nicht, sondern ergänzen harmonisch die fein austarierte Farb-Balance der Bilder, und zugleich befremden sie wie Blutspuren.

 

Berg aus zerknülltem Papier

 

Die Gewalt, die der Schönheit innewohnt, und die verstörende Gewalt der Schönheit – das ist das Thema seiner Arbeiten. Was eine Groß-Installation im XXL-Format vorführt: Den zweiten Raum füllt unter dem Titel „And They Still Seek the Traces of Blood“ ein Berg aus zerknülltem Papier, das mit roten Schlieren bedeckt ist; Besucher dürfen hindurch waten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Kapoor in Berlin" mit Werken des britisch-indischen Künstlers Anish Kapoor im Martin-Gropius-Bau, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Indien entdecken!" mit zeitgenössischer Kunst + Fotografie aus Indien in der Zitadelle Spandau, Berlin

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung "Solch ungeahnte Tiefen" mit Werken der Kenianerin Wangechi Mutu, "Künstlerin des Jahres 2010", in der Kunsthalle Baden-Baden.

 

Auf rund 18.000 Blätter vervielfältigte Qureshi Fotos seiner Installation „Blessings Upon the Land of My Love“ auf der Sharjah-Biennale 2011. Dort schüttete er rote Farbe auf das Pflaster eines Innenhofs und bemalte ihn anschließend mit Blüten; damit reagierte er auf Terroranschläge auf zwei Moscheen in seiner Heimatstadt Lahore 2010. Dafür erhielt er den Preis der Jury der Sharjah-Biennale, was ihm den internationalen Durchbruch brachte.

 

Exotisch, aber leicht zugänglich

 

Zuvor hatte er schon mehrere größere Ausstellungen, vor allem im asiatischen Raum. Nun interessiert sich auch der westliche Kunstbetrieb für ihn. Die Deutsche Bank hat ihn zum „Künstler des Jahres 2013“ gekürt; anschließend wandert diese Schau nach Rom. Derweil ist auf der Biennale in Venedig im italienischen Pavillon vertreten und realisiert ein Projekt für das Museum of Modern Art in New York.

 

Kein Wunder: Der Pakistani Qureshi kombiniert Stile der Vergangenheit und Gegenwart in einer Technik, die im Westen als exotisch, aber leicht zugänglich empfunden wird. Er greift politische Themen auf sehr subtile Weise auf; von plakativen Statements hält er wenig.

 

Mögen manche Bilder eher spröde wirken – etwa die „Raketen“-Serie, die er 1999/2001 schuf: Seine delikate vieldeutige Feinmalerei in kostbarer Aufmachung entfaltet eine Verführungskraft, der man sich nur schwer entziehen kann.