Ryan Gosling gab schon in Nicolas Winding Refns vorherigem Film „Drive“ einen harten Kerl wider Willen; nun wird er vom Regisseur wieder besetzt als jemand, der nicht weiß, wie ihm geschieht. In „Only God Forgives“ ist er als Julian der jüngere von zwei Brüdern, die gemeinsam einen Kickbox-Club in Bangkok betreiben.
Info
Only God forgives
Regie: Nicolas Winding Refn
90 Min., Frankreich/ Dänemark 2013
mit: Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Tom Burke, Vithaya Pansringarm
Mama ist ein Drogenboss
Daraufhin kommt Crystal (Kristin Scott Thomas) nach Bangkok. Die Mutter der Brüder ist eine Größe im internationalen Drogengeschäft und zettelt einen blutigen Rachefeldzug an. Eigentlich soll Julian seinen Bruder rächen. Er ist jedoch hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, endlich den Ansprüchen seiner Mutter zu genügen, und seinem instinktiven Widerwillen gegen diese Aufgabe.
Offizieller Filmtrailer
Albtraumhaftes Mehr-Ebenen-Setting
Dieses Resümee der Handlung tut allerdings dem Wesen dieses Films unrecht. Denn Winding Refn, der auch das Drehbuch schrieb, konzentriert sich weniger auf die Handlung als vielmehr auf die atmosphärische Durchdringung des Settings. Man kann es als albtraumhaft bezeichnen: mehrere Realitäts- oder Bewusstseinsebenen verschmelzen darin ineinander.
Ein surreal unwirkliches Bar-Interieur, dessen Zimmer und Gänge in schwarz-rote Farben und Lichter getaucht sind, erinnert an die Albtraum-Räume von Regisseur David Lynch. Dieser Rückzugsort gehört allein Julian, keine andere der Hauptfiguren taucht jemals hier auf – abgesehen von einer geheimnisvollen thailändischen Schönheit, die Julian in einer anderen Realitätsebene seiner Mutter als angebliche Geliebte vorführt. Doch auch diese Frau scheint mehr Projektion als Realität zu sein.
Am liebsten zurück in den Mutterleib
In Julians Beziehung zu seiner Mutter wird ein ultimativ verkorkstes Mutter-Sohn-Verhältnis vorgeführt. Crystal, die dem personifizierten Bösen gleicht, hat zeit ihres Lebens den älteren Sohn dem jüngeren vorgezogen. Dieser ist sich bewusst, dass er zuletzt vor seiner Geburt so etwas wie mütterliche Liebe empfing. Er würde, wie der blutige Showdown zeigt, am liebsten in diesen Mutterleib zurückkehren.
Hintergrund
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Fast hypnotische Wirkung
Die Gewaltbilder sind von ikonischer Qualität und haben mitunter geradezu biblische Wucht: Wo sieht man sonst einen Mann, dessen eine Seite in einem Stück aufgeschlitzt wurde? Doch oft geht das so weit, dass es gut tut, zwischendurch einfach die Augen zu schließen.
Schwer zu sagen, was das alles soll und was es uns sagt; oder, ob es das muss. „Only God Forgives“ ist ein großartig gefilmter, hervorragend gespielter, atmosphärisch faszinierender Film mit fast hypnotischer Wirkung.
Gewalt im Theoretischen
An den ethischen Implikationen, die sein Titel andeutet, scheint er weniger interessiert. Auch nicht an den Personen, die er zeigt, da sie weniger Charaktere sind, als vielmehr zeichenhaft für bestimmte Prinzipien stehen.
Die symbolhafte Überhöhung des Ganzen hat immerhin den Vorteil, dass die gezeigte Gewalt bei aller betonten Explizitheit gewissermaßen im Theoretischen verbleibt. Nicolas Winding Refn hat mit „Only God Forgives“ einen cineastisch wertvollen Albtraum gedreht, der einem dennoch nicht den Nachtschlaf raubt.