Punkt, Punkt, Komma, Strich: fertig ist das Filmplakat. So einfach hat es sich Hans Hillmann zwar nie gemacht. Doch die mehr als 100 Plakate, die er zwischen 1953 und 1974 entwarf und die nun im Museum Folkwang zu sehen sind, haben bei allen Unterschieden in Thema und Ausführung eines gemeinsam: schlicht-prägnante Lösungen.
Info
Der Titel wird im Bild fortgesetzt – Filmplakate von Hans Hillmann
11.5.2013 - 1.9.2013
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr
freitags bis 22.30 Uhr
im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen
Katalog 20 €
Filmstreifen als Gesichts-Profil
Das zeigt schon Hillmanns erster Entwurf für den Dokumentarfilm „Das Leben beginnt morgen“, in dem 1953 französische Großintellektuelle wie Sartre, André Gide und Le Corbusier ihre Visionen der Zukunft verkünden. Dem damaligen Werkkunst-Studenten in Kassel genügte ein Filmstreifen, den er zum Profil eines Gesichts entrollte.
Impressionen der Ausstellung
Plakatmotiv als Firmen-Signet
Diese Variante gefiel Auftraggeber Walter Kirchner so gut, dass er sie zum Signet seines Verleihs „Neue Filmkunst“ machte, der anspruchsvolle Produktionen aus dem Ausland ins Kino brachte. Dafür gestaltete Hillmann fortan die Plakate. Später kam noch der „Atlas Filmverleih“ mit ähnlichem Programm dazu.
Hillmann wurde quasi zum Chef-Designer des Weltkinos in der frühen Bundesrepublik: Er bewarb Filme von Fellini, Pasolini, Buňuel, Ingmar Bergman und Akira Kurosawa, der französischen Nouvelle Vague, des englischen Free Cinema und des Cinema Novo aus Brasilien. Außerdem etliche Klassiker etwa von John Huston, Max Ophüls oder Marcel Carné, die teils erst nach Jahrzehnten ihre deutsche (Wieder-)Aufführung erlebten.
Rohre für das Schiff, Revolver für den Falken
Immer wollte er Eigenart und besonderen Charakter des jeweiligen Films herausarbeiten und zur visuellen Metapher verdichten – was ihm oft brillant gelang. Auf dem Plakat zu Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ skizzierte Hillmann nur zwei stilisierte schwarze Kanonenrohre; man assoziiert sofort den Geschützturm, der im Film eine wichtige Rolle spielt.
Für den Schwarze-Serie-Klassiker „Der Malteser Falke“ (1941) von John Huston mit Humphrey Bogart wählte Hillmann den Schattenriss des Vogels. Seinen Kopf füllt der Lauf eines Revolvers, der sich frontal auf den Betrachter richtet: Bedrohlicher geht’s kaum.
Auf dem Plakat von Francois Truffauts „Schießen Sie nicht auf den Pianisten“ (1960) geht das Antlitz von Charles Aznavour in eine Zielscheibe über. Und bei Josef von Sternbergs Spielsucht-Melodram „Abrechnung in Shanghai“ (1942) ersetzt ein aufgerissenes Schlangenmaul das Auge von Hauptdarstellerin Gene Tierney.
Deneuves Auge in zwei Gesichtern
Doch Schockeffekte nutzte Hillmann selten; eher arbeitete er mit Kippbildern, die wortwörtlich doppeldeutig zu sehen sind. In „Belle de Jour – Schöne des Tages“ (1967) von Luis Buňuel arbeitet Catherine Deneuve tagsüber im Bordell und mimt abends die treue Ehefrau.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Gemalter Film" über Filmplakate von Renato Casaro im Museum Folkwang, Essen
und hier eine Besprechung der Ausstellung "“Deadly And Brutal” über handgemalte Filmplakate aus Ghana in der Pinakothek der Moderne, München.
Normalverbraucher + Kannibalen
Der optischen Schlagkraft solcher Bilder haben Verleiher offenbar nicht immer vertraut: Manche Plakate liefern Kurz-Interpretationen mit, die unfreiwillig komisch wirken. So charakterisieren Jean-Luc Godards Film „Masculin-Feminin“ (1965), dessen Untertitel „Die Kinder von Marx und Coca Cola“ sprichwörtlich wurde, die Zeilen: „der einige präzise Tatsachen über die Jugend und die Sexualität im heutigen Frankreich beschreibt“.
Oder seine Konsumkritik-Groteske „Week-End“ von 1967: „Nach der Mao-roten ‚Chinoise‘ eine hämoglobin-getränkte Geschichte von Rittern der Landstraße, Normalverbrauchern und Kannibalen.“ Was Godards fast mythischem Renommee bei Cinéasten wohl nicht schadete, vielleicht aber seinem deutschen Verleih: 1975 ging die „Neue Filmkunst“ in Konkurs, und Hillmann gestaltete keine Plakate mehr. Die Krise des herkömmlichen Autorenfilms und sein Aufgehen im heutigen Arthouse Cinema fand ohne ihn statt.