Gaël Métroz

Sâdhu – Auf der Suche nach der Wahrheit

Suraj Baba als Sâdhu in den Bergen. Foto: Senator Film
(Kinostart: 22.8.) Beten und Brot backen: Filmemacher Gaël Métroz porträtiert einen Eremiten, der seit acht Jahren allein in einer Höhle lebt. Dort spielt er glänzend Gitarre – doch wieso er sich von der Welt zurückgezogen hat, bleibt unklar.

Seit acht Jahren lebt Suraj Baba in einer Höhle an der Quelle des heiligen Ganges. Ein noch ziemlich junger Mann mit Bart und Gitarre ist dieser Sâdhu, den der Schweizer Filmemacher Gaël Métroz mit der Kamera begleitet hat. Dabei kommt er sehr nah an seinen Protagonisten heran.

 

Info

 

Sâdhu – Auf der Suche
nach der Wahrheit


Regie: Gaël Métroz

87 Min.,  Schweiz 2012

mit: Suraj Baba

 

Website zum Film

 

In Indien sind Sâdhus „heilige Männer“, die asketisch leben und die heiligen Schriften des Hinduismus studieren. Suraj Baba, den der Schweizer Gaël Métroz monatelang mit seiner Kamera begleitet hat, ist nicht sehr typisch für einen indischen Sâdhu.

 

Ausgerüstet wie ein Indien-Tourist

 

Er spricht ausgezeichnetes, fast akzentfreies Englisch und verfügt über eine Ausrüstung, wie sie jeder westliche Indien-Reisende auch mitführt: Funktionskleidung, Isomatte etc. Zudem spielt er hervorragend auf seiner Westerngitarre und singt dazu wie ein geübter US-Songwriter.


Offizieller Filmtrailer


 

Bartträger unbestimmbaren Alters

 

Wie kommt ein noch junger und offensichtlich gebildeter, talentierter und sympathischer Mann darauf, in eine Höhle zu ziehen, um Sâdhu zu werden? Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten lebt Suraj Baba nach eigenen Worten bereits acht Jahre einsam in seiner entlegenen Höhle.

 

Wie alt er ist, lässt sich schwer schätzen, da ein wilder Bart sein Gesicht umwuchert, doch wahrscheinlich höchstens 40 Jahre. Demnach wäre er mit Anfang 30 in die Höhle gezogen. Aber warum bloß? Diese essentielle Frage lässt der Film unbeantwortet; klar ist nur, dass er aus bürgerlichem Hause im nordindischen Bundesstaat Darjeeling stammt.

 

Selbstgesungenes füllt Soundtrack

 

Der Film beginnt an der Ganges-Quelle in Gangotri, wo Suraj Baba lebt und allmorgendlich im Fluss badet. Die Kamera verfolgt aufmerksam, wie der Eremit in seiner Höhle das Essen zubereitet und über einem offenen Feuer Fladenbrote backt.

 

Anschließend nimmt er seine Gitarre und singt einen Folksong − beim ersten Mal recht überraschend, doch man gewöhnt sich schnell daran. Suraj Babas Lieder bilden einen Großteil des Film-Soundtracks, was ihm sehr gut tut.

 

Enttäuschung auf dem Hindu-Fest

 

Da es schwierig wäre, einen ganzen Dokumentarfilm lediglich mit Bildern eines Mannes zu füllen, der nur betet und badet, folgt Gaël Métroz mit seiner Kamera Suraj Baba auf dem Weg in den Ort Hardiwar. Dort findet alle zwölf Jahre die legendäre „Kumbh Mela“ statt. Zu diesem größten hindusitischen Fest strömen Millionen Gläubige zusammen; Abertausende von Sâdhus baden gemeinsam im heiligen Fluss Ganges.

 

Hier kommt Suraj Baba in Kontakt mit anderen Sâdhus, die jedoch erkennen lassen, dass sie ihn nicht für einen der ihren halten. „Sie beurteilen dich nach deinem Äußeren“, stellt er resigniert fest, und bezeichnet die Kumbh Mela enttäuscht als „riesigen Zirkus“.

 

Sehnsucht nach Zweisamkeit

 

Ein Pilgerweg zu einer heiligen Seen-Stätte im Himalaya soll ihn anschließend der gesuchten Wahrheit näher bringen. Doch auch dort, am Ziel der Reise angekommen, fühlt Suraj Baba, dass es ihm möglicherweise nicht gegeben ist, auf immer als Sâdhu zu leben.

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Mitternachtskinder" von Deepa Mehta - grandiose Verfilmung des Indien-Epos von Salman Rushdie 

 

und hier eine Rezension des Films "My Reincarnation – Wiederkehr" - Doku über den Sohn eines Lamaismus-Lehrers von Jennifer Fox

 

und hier einen Beitrag über den Film "Siddharta" von Conrad Rooks - Verfilmung des klassischen Gottsucher-Romans von Hermann Hesse.

 

Manchmal wünsche er sich durchaus ein Leben in Zweisamkeit, bekennt er. Schon zuvor hatte er gleichsam aus Versehen begonnen, ein Liebeslied zu spielen − nur um es sofort mit dem Schreckruf „Oh God!“ wieder abzubrechen.

 

Nicht viel anders als Kinozuschauer

 

Wer weiß, was diesen begnadeten Musiker in die Einsamkeit der Berge getrieben hat? Allein die „Suche nach der Wahrheit“, wie der Filmuntertitel suggeriert? „What is the essence of life?“ fragt Suraj Baba an einer Stelle. Er macht insgesamt den Eindruck eines Mannes, der sich so über allerlei seine Gedanken macht, sich aber keineswegs erleuchtet fühlt.

 

Insgesamt bleibt ziemlich offen, was Filmemacher Gaël Métroz vorschwebt. Das Leben eines echten indischen Heiligen hatte er porträtieren wollen, doch dann seinen Protagonisten gefunden. Er ist eigentlich nicht viel anders als der durchschnittliche Kinozuschauer selbst, der mitunter ebenfalls ganz schön zivilisationsmüde sein kann.

 

Lieber Höhle als Bürojob

 

In Europa würde man jemanden wie Suraj Baba einen Aussteiger nennen. Wer aber in Indien keine Lust mehr hat, täglich ins Büro zu gehen, für den kann es der einfachste Weg sein, ein Heiliger zu werden. Vorausgesetzt, man ist ein Mann.