Danny Boyle

Trance – Gefährliche Erinnerung

Hypnotiseurin Elizabeth (Rosario Dawson) entlockt dem grübelnden Simon seine tiefsten Wünsche und Geheimnisse. Foto: © 2013 Fox Searchlight Pictures
(Kinostart: 8.8.) Wenn "Trainspotting"-Regisseur Danny Boyle vom Job entspannen will, dreht er einen Hypnose-Thriller. In dem dient ein Kunstraub als Vorwand für wirre Ausflüge ins Unterbewusstsein: Was wahr und was Wahn ist, wird bald egal.

Kunstraub ist wieder in Mode. Regelmäßig brechen Banden in schlecht gesicherte Provinz-Museen ein und schleppen millionenteure Meisterwerke weg. Was aus ihnen wird, bleibt meist unklar – wenn die Bilder nicht, wie jüngst in Rumänien geschehen, von der Mutter eines Täters verbrannt werden, um Beweismittel zu beseitigen.

 

Info

Trance - Gefährliche Erinnerung

 

Regie: Danny Boyle,

101 Min., Großbritannien 2013;

mit: Vincent Cassel, James McAvoy, Rosario Dawson

 

Englische Website zum Film

 

Denn ihre Hehlerware lässt sich im Zeitalter ständig aktualisierter Internet-Warnlisten kaum versilbern: Keine zahlungskräftiger Galerist oder Sammler würde sie kaufen. Die Sensibilität für zweifelhafte Provenienzen ist durch diverse Kunstfälscher-Skandale und Restitutions-Verfahren enorm gestiegen. Also lautet die Gretchenfrage an Kunst-Diebe: Was wollen sie bloß mit der Beute?

 

Gemälde als Erlösungs-Versprechen

 

„Trance“ stellt diese Frage nicht. Alle jagen einem Goya-Gemälde nach, als sei es ein Erlösungs-Versprechen. Der junge Auktionshaus-Angestellte Simon (überfordert: James McAvoy) ist spielsüchtig und hat beim mafiosen Nachtclub-Besitzer Franck (unterfordert: Vincent Cassel) hohe Schulden.


Offizieller Filmtrailer


 

Säuselstimme öffnet Schleusen

 

Um sie loszuwerden, hilft er ihm, bei einer laufenden Versteigerung den Goya zu klauen. Doch als Franck das Bild auspackt, ist der Rahmen leer. Und Simon kann sich an nichts erinnern, weil er beim Überfall ausgeknockt wurde.

 

Nun soll die Hypnotiseurin Elizabeth (souverän: Rosario Dawson) seinem Hirn entlocken, wo die Leinwand geblieben ist. Ihre Säuselstimme öffnet bei Simon alle Schleusen des Unterbewusstseins: Wünsche und Ängste, Vergessenes und Verdrängtes brechen aus ihm hervor. Nach wenigen Minuten kapieren weder Protagonisten noch Publikum mehr, wo die filmische Realität aufhört und schiere Fantasterei beginnt.

 

Sturzflüge durchs Bewusstsein

 

Wie faszinierend das Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungs-Ebenen sein kann, hat Regisseur Christopher Nolan mit Psychothrillern wie „Memento“ (2000) und „Inception“ (2010) mit Leonardo DiCaprio vorgeführt. Solche Sturzflüge durchs Bewusstsein müssen sorgfältig konstruiert sein, damit die Zuschauer stets wissen, auf welcher Ebene sie sich gerade befinden und deren Unterschiede zu den übrigen verstehen. Sonst wird’s völlig willkürlich: Im Reich des Wahns geht alles.

 

Wie in diesem Film: Jede Szene im überdesignten, menschenleeren London überrascht, und keine ist plausibel. Da die begnadete Hypnotiseurin Simon alles einflüstern kann, sollen ein paar konventionelle Verwicklungen dem Hokuspokus ein tragfähiges Handlungsgerüst einziehen. Bald sind sämtliche Hauptfiguren irgendwie emotional und erotisch miteinander verstrickt und wandeln sich so grundlos wie Traumgespinste.

 

Goya-Gemälde als McGuffin

 

Der vorwitzige Simon mutiert von einer Memme zum skrupellosen Killer; Francks kampferprobte Knochenbrecher-Leibgarde lässt sich abknallen wie die Hasen, und der abgebrühte Unterwelt-König steht fassungslos vor dem Psycho-Schrotthaufen, den er selbst aufgetürmt hat.

 

Wie Kinobesucher, die schon ein echtes Goya-Gemälde gesehen haben. Für Regisseur Danny Boyle ist es nur ein McGuffin, wie Alfred Hitchcock derlei nannte: also ein Fetisch, hinter dem alle her sind, wobei gleichgültig bleibt, wozu er nütze ist.

 

Entspannung bei Olympia-Vorbereitung

                                                                                                                      

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "The Best Offer - Das höchste Gebot" - Psycho-Thriller im Kunsthandel von Giuseppe Tornatore

 

und hier einen Bericht über den Film "Der Hypnotiseur" - spannungsgeladener Action-Thriller von Lasse Halström

 

und hier einen Beitrag über die Doku "Nachtmeerfahrten" zur analytischen Psychologie von C. G. Jung von Rainer Sünner

Bei Boyle erstaunt das: Indem er abseitige Milieus wie Junkie-Elend oder indische Slums genau beobachtet und wohldosiert mit massentauglichen Elementen angereichert hat, machte er seine Filme „Trainspotting“ (1996) und „Slumdog Millionaire“ (2008) zu Welterfolgen, die mit Preisen überhäuft wurden.

 

Dagegen wirkt „Trance“ wie achtlos aus dem Handgelenk geschüttelt. Im Interview erzählt Boyle, ihn als Verantwortlichen für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London 2012 hätten die jahrelangen Vorbereitungen so gelangweilt, dass er nebenher zur Entspannung dieses kleine Projekt vorangetrieben habe. So sieht das Ergebnis auch aus.

 

Wo bleibt Kunstkenner-Spielfilm?

 

Andere Leute gehen in ihrer Freizeit ins Museum; Danny Boyle kurbelt rasch einen Psychothriller herunter. Da bleibt ihm natürlich keine Zeit, sich ernsthaft mit Kunst zu beschäftigen. Mag sein, dass „Trance“ einen tiefen Einblick in sein Unterbewusstsein bietet – aber bestimmt nicht in Hypnose-Technik und was sie vermag.

 

Offenbar kommen Filme in Mode, die Kunstraub und -fälschung als Vorwand für fade Genre-Cocktails missbrauchen: Die rührten in dieser Saison schon „Das höchste Gebot“ mit Geoffrey Rush und „Gambit – Der Masterplan“ mit Colin Firth zusammen. Wäre schön, wenn mal ein Spielfilm über den Kunstbetrieb entstünde, der davon tatsächlich etwas versteht.