Halb so viele Galerien, zehn Mal mehr Werke
Sie liefert das Kontrastprogramm zur abc: mehr am Geschmack bürgerlicher Sammler als des Feuilletons ausgerichtet. Werke werden zu meist moderaten Preisen in klassischen Kojen anstelle einer Wandelhalle angeboten − es herrscht eben typische Messe-Atmosphäre. Mit dem üblichen Gedränge: Aus dem weitläufigen Hangar des Flughafens Tempelhof ist die Preview in den 3. Stock der früheren Opernwerkstätten umgezogen; hier geht es eng zu.
Zumal nur halb so viele Galerien wie auf der abc vertreten sind, die aber gefühlt zehn Mal mehr Arbeiten mitbringen: Die meisten Wände sind vollständig zugehängt. Wo Fläche knapp ist, können Malerei und Fotografie ihren Platzvorteil voll ausspielen. Oder Mixed-Media-Arbeiten, sofern sie nicht zu weit in den Raum ragen.
Zuckerbäcker-Torten aus dem 3D-Drucker
Stärkere Kundenorientierung heißt nicht, dass die Machart konventionell wäre. Im Gegenteil: Es wird experimentiert, was moderne Technologien hergeben. Silke Katharina Hahn betropft Glasplatten und Reifenschläuche mit Heißkleber (Mianki). Die chinesische Künstlergruppe „Island6“ installiert LED-Displays hinter bemaltem Reispapier − eine Fortsetzung von Videospielen in Bilderrahmen (Pantocrátor).
„Frantic Gallery“ aus Tokyo stellt Japaner vor, die winzige Silikon-Streifen zu Farbfeldern verweben: äußerst mühselige high tech-Stickerei. Anke Eilergerhard fertigt Kegel-Skulpturen aus gezupftem Silikon, die wie gedrechselte Zuckerbäcker-Torten aussehen (Art Felicia). Vermutlich mit einem 3D-Drucker: Da dürfte noch einiges auf die Kunstwelt zukommen, sobald diese Geräte weiter verbreitet sind.
Madonnen-Figuren mit Tierzähnen
Exotische Materialien finden sich ebenso in Fauna und Flora. Kálmán Várady, Roma ungarischer Herkunft, spickt seine Kreuzungen aus Madonnen-Figuren und Voodoo-Puppen mit Tierzähnen (Kai Dikhas). Michael Schuster, ebenfalls bei Mianki, fügt aus Laub ausgeschnittene Figuren zu filigranen Assemblagen zusammen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Kunst-Messe "Berlin Art Week" - 2012 in Berlin
und hier eine Besprechung über das “Gallery Weekend” 2012 in Berlin
und hier einen Bericht über die Kunst-Messe “art berlin contemporary” 2011 in Berlin
Formal brillant, inhaltlich schlicht
Tilo Baumgärtel bevorzugt giftiges Grün (Kleindienst), Enrico Freitag aus Weimar eher stumpfe Brauntöne (Eigenheim). Markus Fräger stammt zwar aus Hamm und lebt in Köln, hat sich aber die caravaggieske Spielart sowjetischer Malerei der 1960/70er Jahre perfekt angeeignet (Friedmann-Hahn): bewundernswert, doch wenig innovativ.
Bei aller Lust an gefälligen Motiven bis hart an die Kitschgrenze vermisst man bei vielen Arbeiten die Relevanz − handwerkliche Virtuosität kontrastiert mit inhaltlicher Schlichtheit. Ihnen eignet etwas Epigonales: Die Kinder von Magritte, Mondrian und Warhol bedienen das Publikum mit Zweit- und Drittaufgüssen für schmalere Geldbeutel. Was der Malerei dauerhaft ihr Fortbestehen garantieren wird: Painting forever!