Psychoanalyse scheint im Film wieder in Mode zu kommen. Dabei rücken andere wichtige Psychoanalytiker jenseits des gemeinsamen Über-Vaters Sigmund Freud in den Fokus. 2011 drehte David Cronenberg mit „Eine dunkle Begierde“ ein Drama zum Dreiecks-Verhältnis zwischen Freud, seinem Rivalen Carl Gustav Jung und dessen Patientin Sabina Spielrein.
Info
Der Fall Wilhelm Reich
Regie: Antonin Svoboda
110 Min., Österreich 2012
mit: Klaus Maria Brandauer, Birgit Minichmayr, Julia Jentsch
Orgon-Akkumulator + Cloudbuster
1939 flieht Reich (genial: Klaus Maria Brandauer) vor den Nazis nach New York. Zu dieser Zeit beschäftigte er sich nicht mehr mit der Erforschung der Natur des Orgasmus. Dafür entwarf er nun nicht weniger skandalträchtige, esoterische Apparaturen mit so skurrilen Namen wie „Orgon-Akkumulator“ oder „Cloudbuster“.
Offizieller Film-Trailer
Kosmos-Energie mit Holzkiste fangen
In den USA wird der Wissenschaftler zwar nicht mehr als Jude verfolgt. Statt dessen gerät das ehemalige KPD-Mitglied jedoch schnell ins Visier des berüchtigten Kommunistenhassers Joe McCarthy. Auch aus der nationalen Psychiater-Vereinigung wird Reich aufgrund seiner umstrittenen Behandlungsmethoden ausgeschlossen.
Als auch noch die gefürchtete US-Gesundheitsbehörde auf Reich aufmerksam wird, spitzt sich dessen Lage weiter zu. Stein des Anstoßes ist seine Erfindung des „Orgon-Akkumulators“; diese Holzkiste soll heilbringende kosmische Lebensenergie einfangen. Doch Reich ahnt nicht, dass seine Mitarbeiterin Aurora (Birgit Minichmayr) eine Verräterin ist.
Hollywood bar jeder Subtilität
Regisseur Svoboda hat „Der Fall Wilhelm Reich“ komplett in Österreich und Spanien gedreht. So muss Andalusien − wie seinerzeit für Italowestern − als europäisches Double für den US-amerikanischen Westen herhalten, obwohl Svoboda lieber an den Originalschauplätzen gedreht hätte. Das verwundert wenig: Sein Film spielt nicht nur in den USA, sondern zeugt darüber hinaus vom Willen, ein Biopic nach bester Hollywood-Manier zu schaffen.
Das ist ihm insgesamt geglückt. Allerdings ließ sich Svoboda dazu hinreißen, nicht nur Stärken, sondern auch typische Schwächen der Traumfabrik zu übernehmen. Wunderschön sind die Bilder, oft unterlegt von pathetischer Musik. Und das äußerst nuancierte Spiel von Klaus Maria Brandauer kann nicht ausgleichen, dass dem Film jede Subtilität vollkommen abgeht.
Einstein als Atombomben-Bauer
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Nachtmeerfahrten" - Doku über C.G. Jung von Rüdiger Sünner
und hier einen Bericht über den Film "Eine dunkle Begierde" - über den Bruch zwischen S. Freud + C.G. Jung von David Cronenberg
und hier eine Rezension des Films "The Real American – Joe McCarthy" - Biopic über den US-Kommunistenjäger von Lutz Hachmeister.
So wird selbst Albert Einstein als Atombomben-Bauer diffamiert, nachdem er Reichs „Orgon-Akkumulator“ attestiert hatte, ihm fehle jede konkrete physikalische Wirkung. Damit unterschlägt Svoboda, dass der Physiker später mit dem „Russel-Einstein-Manifest“ eine Deklaration gegen Atomwaffen mitverfasste.
Drogen + Elektroschocks
Doch der wahre Unhold im Film ist der Leiter der amerikanischen Psychiatervereinigung Dr. Cameron. Während Reich in Svobodas Sicht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Heilung mittels kosmischer Lebensenergie setzte, experimentierte Cameron mit Gehirnwäsche, indem er massiv Drogen und Elektroschocks verabreichte. Das Ergebnis ist natürlich fatal − vergleichbar mit der brachialen Art, mit der dieser Film seine Zuschauer zu manipulieren versucht.