Fanny Ardant

Die Schönen Tage

Schöne Tage zwischen Laken: Caroline (Fanny Ardant) und Julien (Laurent Lafitte). Foto: © Wild Bunch Germany
(Kinostart: 19.9.) Liebhaberei im Unruhestand: Kaum ist Zahnärztin Caroline pensioniert, stürzt sie sich in die Affäre mit einem 39-Jährigen. Fanny Ardant spielt mit wunderbar lebenskluger Contenance, Regisseurin Vernoux filmt herrlich beiläufig.

Fluch der Frühpensionierung: Caroline (Fanny Ardant) muss wegen der Altersgrenze von 60 Jahren aus der Gemeinschaftspraxis mit ihrem Mann Philippe (Patrick Chesnais) ausscheiden. Sie war Zahnärztin mit Leib und Seele, hat weder Hobbys noch einen großen Freundeskreis, und die Kinder sind längst aus dem Haus: Wie die Zeit füllen?

 

Info

Die Schönen Tage

 

Regie: Marion Vernoux

94 Min., Frankreich 2013

mit: Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais

 

Website zum Film

 

Was ihre beiden erwachsenen Töchter nahe legen, schmeckt ihr gar nicht: ein Probe-Abo für den Seniorenclub „Die Schönen Tage“. Der erste Besuch bestätigt ihren Argwohn: Rentner werden dort wie im Kindergarten mit Töpfern, Gymnastik und Laientheater beschäftigt. Da schlendert sie doch lieber sinnierend über die Strandpromenade ihres Wohnorts Dunkerque.

 

Funkenflug im Computerkurs

 

Dann trifft sie im Club auf Julien (Laurent Lafitte), Leiter des Computerkurses: 39 Jahre alt, kinderloser Single und berufsjugendlich wirkender Hallodri mit unverschämt direktem Charme. Sie sehen sich wieder, es funkt – und Caroline stürzt sich in eine leidenschaftliche Affäre mit ihm.


Offizieller Film-Trailer


 

Fertig-Pizza und Eis für die Gäste

 

Mit allem, was dazu gehört: sorglos vertrödelte Nachmittage im Bett, bekifft gemeinsames Kichern, liebevoll ausgetüftelte Heimlichkeiten zu zweit und souveräne Gleichgültigkeit gegenüber dem Rest der Welt. Häusliche Pflichten werden Caroline bald egal: Als ihr Mann Bekannte zum Essen einlädt, tischt sie ihnen Pizza vom Lieferdienst und Eis am Stiel auf.

 

Erst nach einer Weile ahnt Philippe, was vor sich geht. Sobald er verstanden hat, macht er seiner Frau keine Szene, aber deutlich, dass er sich nicht auf Dauer vorführen lässt – mit gefasst klingenden Worten, aber innerlich bebend. Caroline muss sich entscheiden, ob sie in ihr altes Leben zurückkehren oder weiter ihren zweiten Frühling auskosten will.

 

Prickelnde Genüsse vom womanizer

 

Die Frau zwischen zwei Männern in einer ménage à trois contre cœur ist eine klassische Konstellation im französischen Kino – aber hier ist alles anders. Keine hochfliegenden Träume und heißen Liebesschwüre, melodramatischen Auftritte oder langatmigen Aussprachen. Sondern unterkühltes Understatement, gewürzt mit lakonischer Ironie, wie man es nördlicheren Gefilden vermuten würde: Nicht zufällig geschieht alles an der Nordseeküste.

 

Caroline ist nicht auf Männersuche, nur etwas unausgelastet und abenteuerlustig. Sie macht sich über ihren Liebhaber keine Illusionen: Julien ist ein womanizer, der sich treiben lässt und weiß, dass er bislang wenig erreicht hat. Aber er versteht, Augenblicke auszukosten, was ihn für sie so anziehend macht; er bietet ihr diese prickelnden kleinen Genüsse, die sie sich lange versagt hat.

 

Nicht reif für den Rentenantritt

 

Hintergrund

 

Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Gloria” - Porträt einer 58-jährigen Chilenin von Sebastián Lelio mit Paulina García, Gewinnerin des Silbernen Bären 2013

 

und hier einen Bericht über den Film "Mr. Morgan`s Last Love" - Drama über spätes Liebes-Glück mit Michael Caine

 

und hier eine Kritik des Films "Late Bloomers" - romantische Senioren-Komödie von Julie Gavras mit Isabella Rossellini + William Hurt.

 

Ihr Altersunterschied kommt nur kurz in Nebensätzen zur Sprache und hat sich damit erledigt. Verständlich: Die wunderbare Fanny Ardant, die nächsten März ihren 65. Geburtstag feiert, wirkt keine Sekunde reif für den Rentenantritt. Faszinierend mitanzusehen, wie sie sich ihren Sehnsüchten überlässt und dabei doch stets lebenskluge contenance wahrt.

 

Ihr ist Laurent Lafitte mit lässigem Schalk ein ebenbürtiger Bettpartner und Gegenspieler. Während der liebenswürdig zerknautschte Patrick Chesnais glaubhaft zu verstehen gibt, dass er sowohl auf Vorhaltungen verzichtet wie darauf, resigniert darüber hinweg zu sehen.

 

Fahle Farben des nördlichen Lichts

 

Dieses Kammerspiel über Herzensirrungen der reiferen Jugend inszeniert Regisseurin Marion Vernoux herrlich beiläufig: mit unaufgeregt pointierten Dialogen zwischen schlichten Kleinstadt-Bauten, die nördliches Licht mit fahlen Farben überzieht.

 

Seelenbewegungen drückt vor allem die Handkamera aus, die öfter die Protagonisten umkreist. Das ist so lebensnah, dass man sofort zum Strand von Dunkerque fahren möchte – wenn dort jetzt nicht Saisonende und alles recht unwirtlich wäre.