Wermsdorf bei Leipzig

Die königliche Jagdresidenz Hubertusburg und der Frieden von 1763

Johann Samuel Mock: Der Einzug König Augustus der III. in Warschau 1734. Foto: Estel/Klut /Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Wer hierher wollte, musste verrückt sein: Schloss Hubertusburg, das "sächsische Versailles", war lange Psychiatrie-Klinik. Vor 250 Jahren schrieb es Weltgeschichte; die Jubiläums-Schau erinnert an alten Glanz, erwähnt aber kaum, wie es dazu kam.

Halbe Ausstellung für Waffennarren

 

Stattdessen behelfen sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) mit Pretiosen aus ihren Beständen. Etwa aufwändig gearbeiteten und verzierten Schmuck- und Prunkwaffen; die halbe Schau ist höfischer Jagd-Begeisterung gewidmet. Sie spielte gewiss in der Barockzeit eine enorme Rolle; so ließ sich Kronprinzessin Maria Anna als Jagdgöttin Diana porträtieren.

 

Doch Vitrinen voller Hirschfänger, Weidmesser und Radschloss-Gewehre können trotz ausführlich erläuterter Unterschiede in Bauart und Dekor nicht davon ablenken, dass sie allein zum Totmachen bestimmt sind; Waffennarren kommen also voll auf ihre Kosten. Liebhabern der schönen Musen wird weniger geboten: zwei Säle zur Selbstdarstellung des Kurfürsten und der Hofkultur.

 

Essentielle Fragen ungeklärt

 

Der eigentliche Anlass dieser Ausstellung muss sich mit einem Kabinett bescheiden. Kleine Grafiken deuten Beginn und Verlauf des Siebenjährigen Krieges an, daneben finden sich ein paar Bilder aus sächsischen Sammlungen und staubige Uniformen aus dem „Armeemuseum Friedrich der Große“ in der bayerischen Plassenburg ob Kulmbach. Zum Frieden gibt es nur die Vertrags-Urkunden und einen Schwung Gedenk-Medaillen.

 

Das ist nicht nur arg dürftig, sondern lässt auch wichtige Fragen ungeklärt. Warum trafen sich die Emissäre der Kriegsparteien eigentlich fernab jeder größeren Stadt mitten in der Pampa − in einem ausgeweideten Schloss-Kadaver, wo sie sich nicht einmal hinsetzen konnten? Wollte man verhindern, dass Delegations-Mitglieder etwas von Wert mitgehen lassen?

 

Völlig ignorierte Weltgeschichte

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Friederisiko" - zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen im Neuen Palais, Potsdam

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Raden Saleh (1811–1880): Ein javanischer Maler in Europa" über den ersten asiatischen Maler von Jagd- und Tier-Szenen im Lindenau-Museum, Altenburg

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Der Welt-Menschheit größte Erfindung!" mit Entwürfen des Weltraum-Fantasten Karl Hans Janke im Stadthaus Ulm.

 

Oder sollten sie durch Entbehrungen zu zügigen Verhandlungen genötigt werden? Das klappte nicht: Sie brauchten sechs Wochen bis zur Einigung auf die Vertragstexte. Die im Wesentlichen nur den Vorkriegszustand wiederherstellten − wieso dauerte das so lange? Diese seltsamen 45 Tage, in denen auf Hubertusburg Weltgeschichte geschrieben wurde, ignoriert die Schau völlig.

 

Entweder reichte ihr Budget nicht, um Objekte von Museen außerhalb des Freistaats auszuleihen. Oder die SKD sind so auf ihre populären Dauer- und Wechselausstellungen mit Barock-Prunk der Hausmarke August der Starke & Söhne fixiert, dass ihnen entgeht, wie manche Themen über den sächsischen Porzellan-Tellerrand hinausreichen.

 

Kosmos-Eroberer bekannter als Kurfürst

 

Oder die Epochengrenze des späten 18. Jahrhunderts überschreiten: Was in den 250 Jahren nach dem Friedensschluss in Hubertusburg geschah, kommt ebenso wenig vor. Dabei dürfte sein bekanntester Bewohner nicht mehr der unselige Kurfürst sein, sondern Karl Hans Janke: Der sonderbare Schöpfer verwegener Pläne zur Eroberung des Kosmos, die inzwischen als eigenwillige Kunstwerke Anerkennung genießen, verbrachte seine zweite Lebenshälfte in der dortigen DDR-Psychiatrie.