Wien

Albert Oehlen – Malerei

Albert Oehlen: I 9, 2009, Papier auf Leinwand , 230 x 170 cm. Im Besitz des Künstlers . Photo: Stefan Rohner, © 2013 Albert Oehlen / Quelle: Mumok Wien
Er war Schalk vom Dienst der "Neuen Wilden" und ist heute einer ihrer letzten Überlebenden. Doch er und seine Fans frönen weiter der Lust am vollmundigen Schwadronieren in Wort und Bild, wie eine große Retrospektive im MUMOK zeigt.

Albert Oehlen ist sich treu geblieben; wie ein Berufsjugendlicher, der auch mit ergrautem Haar von spätpubertären Scherzen nicht lassen mag. Das zeigt anschaulich die Retrospektive im MUMOK, mit rund 80 Arbeiten seine bislang größte Ausstellung in Österreich.

 

Info

 

Albert Oehlen - Malerei

 

8.6.2013 – 20.10.2013

täglich 10 bis 19 Uhr, montags ab 14 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr im MUMOK (Museum für moderne Kunst), Museumsplatz 1, Wien

 

Künstlerbuch 29,80 €

 

Weitere Informationen

 

Auf drei Etagen wird in weitläufigen Sälen ein Überblick über alle Schaffensphasen geboten; nach Werkgruppen, aber nicht chronologisch geordnet. Das wäre auch unnötig: Rasch erkennt man, dass Oehlen seine Arbeitspraxis in drei Jahrzehnten kaum geändert hat.

 

Vermeiden, über Bilder nachzudenken

 

Zwar haben sich seine Bildinhalte durchaus gewandelt. Doch seine Herangehensweise ist gleich geblieben – ungestüm loslegen und Reflexion kokett ablehnen: „Eigentlich versuche ich, so wenig wie möglich aufs Bild zu schauen, weil ich so lange wie möglich vermeiden will, darüber nachzudenken.“ Allerdings spickt er seine Bilder reichlich mit mehrdeutigen Signalen und Zeichen, so dass sie Profi-Interpreten genug Gesprächsstoff liefern.


Impressionen der Ausstellung


 

Und wo lassen sie denken

 

Unter den „Neuen Wilden“ der 1980er Jahre pflegte das rheinische Trio Martin Kippenberger, Werner Büttner und Albert Oehlen eine recht rabiate Postpunk-Ästhetik. Kippenberger gab den kalauernden Kraftmeier, Oehlen den süffisanten Scherzkeks. Inzwischen ist Kippenberger tot und kanonisiert, um Büttner ist es still geworden; nur Oehlen wird noch geschätzt und hofiert.

 

Vermutlich, weil sein Werk als vielschichtig gilt. Anfang der 1980er Jahre skizzierte er Gestalten vor stumpffarbigen Hintergründen mit bedeutungsschwangeren Titeln wie „Und wo lassen sie denken“ oder „Krefelder Appell“; so hieß ein Manifest der Friedensbewegung. Ohne Scheu vor Edelkitsch: Er malte sich selbst neben einem Pferd oder einen Hirschkopf im Anzug.

 

Postungegenständlich konventionell

 

In den 1990er Jahren proklamierte er eine „postungegenständliche“ Malerei, die irgendwie den Aporien von Figuration und Abstraktion, Tafelbild und Neuen Medien entkommen sollte. Seine großformatigen Gemälde dieser Phase sehen aber ziemlich konventionell aus: Farbschlieren, -schichtungen und Liniengewirre, die zwischen Mirò und Jackson Pollock irrlichtern.

 

Seit der Jahrtausendwende bedient sich Oehlen bevorzugt bei den Bilderbergen der Warenwelt. Etwa in einer ab 2008 entstandenen Collagen-Serie: Der Künstler leimt sie aus Fragmenten greller Plakatwerbung meist spanischer Supermärkte zusammen. Blutige Steaks, grinsende Foto-Models und Sonderpreise in Balkenlettern werden von ihm teilweise gestisch übermalt.

 

Bleistift-Gekritzel von Fünfjährigem

 

Das hat soviel Schauwert wie das Rohmaterial; dabei kopiert Oehlen nur Techniken und Bildformeln von Pop Art und Nouveau Réalisme aus den 1960er Jahren. Doch seine Fans werden nicht müde, ihm Ausnahmestatus einzuräumen: Die Albertina hat für diese Ausstellung anstelle eines Katalog eigens ein Künstlerbuch publiziert.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Von Beckmann bis Warhol - Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts"  – mit Werken von Albert Oehlen aus der Sammlung Bayer im Martin-Gropius-Bau, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Martin Kippenberger: sehr gut | very good" - große Retrospektive des "Neuen Wilden" im Hamburger Bahnhof, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Schönes Klosterneuburg" - der Künstler Albert Oehlen als Kurator der Sammlung Essl in Klosterneuburg bei Wien.

 

Dessen Einband ziert ungelenkes Bleistift-Gekritzel: ein Oehlen-Porträt von seinem fünfjährigen Sohn. Die Gestaltung des Bandes hat Heimo Zobernig besorgt. Um zu zeigen, „was Oehlens Malerei auszuhalten vermag“, setzt er jede dritte Zeile in anderer Schrifttype und lässt Texte wie Bilder wild über die Seiten wandern.

 

Kneipen-Geplapper nachts um drei

 

Solch anarchisches fanzine-Layout ist unschlagbar gestrig. Man darf ihm höchstens dankbar sein, dass es von der Substanzlosigkeit der Beiträge ablenkt. Da palavern die Kunstbetriebsnudeln Kerstin Stakemeier und Rochelle Feinstein über ihre aktuelle Lektüre, andere Maler und oder die Frage, wie all das streng postfeministisch nach Judith Butler zu bewerten sei: Kneipen-Gerede nachts um halb drei.

                                                                

Dagegen vergleicht Kurator Achim Hochdörfer Oehlens Position in der Kunstgeschichte mit der von Arnold Schönberg in der E-Musik – während Jeff Koons so zynisch wie Strawinsky sei. Mit solchen Delirien ist der hochwertig gefertigte Band ganz 1980er Jahre: steile Thesen en masse, für die höchste Autoritäten bemüht werden, die so fix wechseln wie angesagte Cocktail-Bars. Ihre Lust am so vollmundigen wie folgenlosen Schwadronieren eint die Macher mit dem Maler: Selten gehen Kunst und Leben so nahtlos ineinander über.