
Neues über heidnische Religionen
Sie sind die Höhepunkte dieser an spektakulären Stücken so reichen Schau. Man erfährt viel Neues über die Religionen der Germanen, Slawen und Balten, die christliche Geschichtsschreiber ignoriert oder als dumpfe Heiden-Bräuche denunziert haben: Jüngste archäologische Entdeckungen werfen mehr Licht auf älteste Glaubensrichtungen.
Wie die Funde von Uppåkra, die erstmals außerhalb Schweden zu sehen sind; sie stammen aus der größten bekannten Tempelanlage der Wikinger. Die opferten dort bis 900 n. Chr. Wotan, Odin und Thor kostbare Becher und Kult-Gefäße. Eine ausgestellte Buntglas-Schale war allerdings aus dem längst christlichen Südeuropa importiert worden: Der Handel mit Andersgläubigen florierte.
Christlich-heidnische Grabbeigaben
Ebenso Dienste an vielen Göttern: Im englischen Prittlewell ließ sich um 700 ein Adliger mit kleinen Gold-Kreuzen auf den Augen bestatten. Doch seine Grabbeigaben fielen typisch heidnisch aus: Waffen, Proviant und eine Leier. So war er für jedwedes Jenseits bestens gerüstet. Kurz zuvor wurde bei Lausanne ein Kruzifix mit heidnischen Abrakadabra-Zauberformeln verziert – doppelt beschworen wirkt besser.
Erfüllte der neue Glauben aus dem Süden die Heilserwartungen nicht, konnten frisch Bekehrte rasch wieder von ihm abfallen. Das geschah im Raum zwischen Oberrhein und Donau: Zu spätrömischer Zeit teilweise christianisiert, ließen es die Bewohner wohl an Glaubenseifer fehlen.
Impressionen der Ausstellung + Kommentar von Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums; © Ruhrania
Sterben soll, wer Heide bleiben will
Jedenfalls schickten irische Klöster im 8. Jahrhundert Mönche auf die lange Reise, um diese Schäfchen auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Und den biblischen Heilsplan zu erfüllen: Erst wenn alle Völker missioniert seien, hatte Papst Gregor der Große im 7. Jahrhundert verkündet, werde das Reich Gottes anbrechen.
Starke Herrscher wie Karl der Große und Kaiser Otto I. wollten das mit Feuer und Schwert beschleunigen. „Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden“, teilte Karl den Unterworfenen mit, bevor er sie hinmetzeln ließ; damit setzt der zweite Ausstellungsteil im Museum in der Kaiserpfalz ein. Missionierung mittels Massakern machte Schule: vom Baltikum bis Amerika 700 Jahre später.
Stabkirchen mit Wikinger-Ornamenten
Andere Massenbekehrungen verliefen friedlich: etwa in Pommern durch Otto von Bamberg. Und manche waren Ergebnis zähen Ringens. Bulgariens König verhandelte lange mit katholischen Gesandten aus Rom und orthodoxen aus Konstantinopel, bevor er mit letzteren einig wurde. Sie schickten ihm die Missionare Kyrill und Method, die als erstes die glagolitische Schrift für heilige Texte auf Slawisch erfanden: den Vorläufer des Kyrillisch.
Hintergrund
Lesen Sie hier einen Bericht über die Ausstellung "Die Sixtinische Madonna – Raffaels Kultbild wird 500" in der Gemäldegalerie Dresden
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Der Naumburger Meister" über das "Europa der Kathedralen" in Naumburg a.d. Saale
und hier eine Rezension der Ausstellung "Kraftwerk Religion" über weltweite (Wechsel-)Wirkungen von Religionen im Deutschen Hygiene-Museum, Dresden
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Schätze des Glaubens" mit Meisterwerken der Sakralkunst im Mittelalter im Bode-Museum, Berlin
Größte Missions-Erfolge in China
Da hatte sich die Christenheit längst in Katholiken, Protestanten und Orthodoxe dreigeteilt, die alle das Deutungsmonopol über die Verbreitung des Christentums beanspruchten. Welchen Aufwand sie dafür trieben, zeigt der dritte Teil in der Städtischen Galerie am Abdinghof: Im 19. Jahrhundert beschworen allerlei Ölschinken die jeweilige Konfession als Teil der nationalen Identität.
Heute wird gern das gemeinsame christliche Erbe als Fundament der Identität Europas beschworen; mit freundlicher Berücksichtigung der jüdischen und islamischen Einflüsse. Doch ein Bekenntnis breitet sich rapide aus, das keine heiligen Schriften und Symbole kennt: der Atheismus. Missions-Erfolge im Zeichen des Kreuzes gibt es nur noch außerhalb Europas; die meisten Frischgetauften finden sich derzeit in China.