Das kann kein Zufall sein: Während in der Kunsthalle Bielefeld noch eine große Ausstellung über den deutschen Symbolismus läuft, eröffnet das Belvedere in Wien eine Schau zum Symbolismus in Österreich. Nachdem er jahrzehntelang wenig Beachtung fand, wird plötzlich ein umfassender Gesamtüberblick über diese Kunstrichtung in ganz Mitteleuropa geboten.
Info
Dekadenz - Positionen des österreichischen Symbolismus
21.6.2013 - 13.10.2013
täglich 10 bis 18 Uhr, mittwochs 10 bis 21 Uhr im Unteren Belvedere, Rennweg 6, Wien
Katalog 42 €
Zuflucht bei der Kunst einst + jetzt
Das mag erklären, warum das Interesse am Symbolismus neu erwacht. Fortschrittsoptimismus ist passé; Schwindel erregende technische Neuerungen werden eher beargwöhnt, als dass man ihnen die Lösung von Menschheitsproblemen zutraut. Desillusionierte Zeitgenossen suchen Zuflucht bei der Kunst – vor allem bei Spielarten, deren Formenreichtum die Sinne betört. Davon bietet der Symbolismus reichlich.
Impressionen der Ausstellung
Acht Meter langer Kunst-Altar
Insbesondere in seiner österreichischen Variante, fasst man den Begriff weit genug. Die rund 120 gezeigten Werke, überwiegend aus der Belvedere-Sammlung, entstanden fast alle vor 1914: Das Habsburger Reich war ein Vielvölkerstaat und Wien eine kosmopolitische Metropole, die Künstler aus ganz Europa anzog. Ausländer wie der Belgier Fernand Khnopff oder die Deutschen Max Klinger und Franz von Stuck feierten hier große Erfolge.
Von ihnen sind wegweisende Arbeiten zu sehen: etwa Klingers riesiges „Urteil des Paris“ von 1887. Das fast acht Meter lange Triptychon ist weit mehr als ein Gemälde: Mit üppig beschnitztem und vergoldeten Rahmen, massivem Sockel in Marmor-Optik und drei aufgesetzten Figuren-Plastiken ähnelt es eher einem Kunst-Altar.
Waldpfad als Eingang ins Paradies
Wobei alle Elemente aufeinander bezogen sind: Rahmen und Sockel hören auf, reine Leinwand-Einfassungen zu sein, und werden integraler Teil des Werks. Sie vermitteln die Bild- mit der Außenwelt und lösen damit die Grenze zwischen beiden Sphären auf; dieses Eindringen der Kunst in die Wirklichkeit sollten diverse Spielarten der Klassischen Moderne weitertreiben.
Die Schau versammelt einige solcher monumentalen Triptychen. Assoziationen zu gotischen Altären waren beabsichtigt; sie sollten ähnlich weihevolle Ehrfurcht einflößen. Dazu passten (quasi-)christliche Bildthemen. Wilhelm List schuf 1905 ein dreiteiliges Ensemble über die „Heilige Elisabeth“, Wilhelm Bernatzik 1904 das Triptychon „Eingang ins Paradies“. Der sieht wie ein Waldpfad aus: Zwei Engel bewachen ihn, während er sich ins Irgendwo schlängelt.