Man nehme: eine endlose Saalflucht voller Teppiche und Tapisserien, ausgestattet mit 39 Klavierflügeln, Kristalllüstern in jedem Raum, Unmengen von freestyle-Möbeln zwischen Rokoko und Futurama, nierenförmigem Swimmingpool, dazu tonnenweise Perlmutt, Blattgold, Strass und Glitzerkram aller Art. Das ergibt ein gemütliches Heim nach dem Geschmack von Liberace: „Zu viel des Guten ist wundervoll“.
Info
Liberace - Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the candelabra)
Regie: Steven Soderbergh
119 Min., USA 2013
mit: Michael Douglas, Matt Damon, Dan Aykroyd
Pelzmäntel mit meterlanger Schleppe
Die waren hingerissen von der Ausstattungsorgie seiner Auftritte: Liberace ließ sich im weißen Rolls Royce auf die Bühne fahren. Er trug Pelzmäntel mit meterlanger Schleppe, die rundum mit Edelsteinen bestickt waren und Hunderttausende Dollar kosteten. Auf seinen Flügeln stand stets ein Kandelaber, dessen Licht sich in seinem Glitzer-Anzug brach. Ein Märchenprinz, der wie der Sternenhimmel funkelte – und kaum einer ahnte, dass er schwul war.
Offizieller Filmtrailer
Vaterfigur für den Waisenknaben
Das hielt Liberace streng geheim; er verklagte die Presse, wenn sie darauf anspielte. Bei diesem Doppelleben setzt das biopic von Steven Soderbergh an: Der junge Hundetrainer Scott Thorson (Matt Damon), bei Pflegeeltern aufgewachsen, darf 1977 nach einem Konzert in Las Vegas hinter die Bühne und gewinnt die Gunst des selbst ernannten Mr. Showmanship.
Liberace (Michael Douglas) engagiert ihn als „persönlichen Assistenten“, teilt Tisch und Bett mit ihm, überhäuft ihn mit Geschenken und bietet ihm die Vaterfigur, die der Waisenknabe nie hatte. Solange ihm sein Protegé zu Willen ist: Scott muss seine Auftritte vorbereiten und darf kaum ausgehen, damit ihr Verhältnis nicht ruchbar wird.
Gesichts-OP für Liberace-Ebenbild
Als Liberace sich liften lässt, nötigt er seinen Schützling zur Gesichtsoperation, um seinem Mentor optisch zu ähneln. Kleiner Scherz der Maskenbildner: Nach der OP sieht der vorher als babyface zurechtgemachte Matt Damon wieder wie er selbst aus.
Scott überkommen Zweifel, die er mit Tabletten und Drogen unterdrückt. Bis ihre kriselnde Beziehung nach fünf Jahren im Eklat endet: Liberace ersetzt ihn durch einen jüngeren Epheben, setzt Scott vor die Tür und findet ihn mit einem Taschengeld ab.
Douglas macht Star-Tunte sympathisch
Das Auf und Ab dieser Verbindung bis zu Liberaces AIDS-Tod 1987 setzt Steven Soderbergh schnörkellos und temporeich, aber auch konventionell in Szene. Seinen nach eigener Aussage letzten Film hat er für den US-Bezahlsender HBO gedreht, was man ihm ansieht: viel Nah- und Innenaufnahmen, kaum Kamerafahrten oder Totalen.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
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Goldener Käfig mit glitterati
Anfangs ist der naive Scott davon geblendet. Bald gewinnt er aber dank Matt Damons Präsenz eigenes Profil und bietet dem Egomanen Paroli. Am Ende hat er zwar seine Luxusexistenz im goldenen Käfig mit glitterati aus Las Vegas und Hollywood verloren, doch sein inneres Gleichgewicht gewonnen.
Eigentlich eine unspektakuläre sugardaddy-Zögling-Geschichte. Faszinierend wird sie durch das bombastische Drumherum, in dem sie abläuft. Alle Geschmacksverirrungen der 1970er Jahre kommen im XXL-Format ins Bild: ausgestellte Spitzkragen, pastellfarbene Anzüge mit irrem Schlag und Sportwagen-Flundern auf Breitreifen.
Von Elvis bis Lady Gaga
Dazu tausenderlei Accessoires aus Liberaces privatem Kitsch-Universum: dicke Klunker an jedem Finger, Strassbesatz auf allen Klamotten oder Stretch-Limousinen mit aufgemalten Piano-Tasten. Alle Paradiesvögel des showbiz haben von ihm abgekupfert: von Elvis über Elton John, ABBA und Udo Jürgens bis zu Madonna und Lady Gaga. Zu Recht: Nie sah bad taste glamouröser aus.