München

Pompeji – Leben auf dem Vulkan

Gartenmalerei aus Pompeji im Haus des Goldenen Armreifs, 25–50 n. Chr. © Fotografica Foglia (Neapel). Quelle: Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung
Schlagartig erstarb jedes Leben: Der Vesuv-Ausbruch 79 n. Chr. ist die berühmteste Naturkatastrophe aller Zeiten. Die Hypo-Kunsthalle zeigt frisch restaurierte Funde aus Pompeji, blendend inszeniert: faszinierende Einblicke in den Alltag antiker Römer.

Pompeji droht sein zweiter Untergang: durch Unterfinanzierung, Ignoranz italienischer Politiker und von der Mafia unterwanderte Kommunen, während täglich Tausende Italien-Touristen durch seine zerbröselnden Trümmer trampeln. Doch der völlige Zerfall ließe sich noch abwenden: Jüngst hat die EU mehr als 100 Millionen Euro für den Erhalt der Ausgrabungsstätte in Aussicht gestellt.

 

Info


Pompeji –
Leben auf dem Vulkan

 

15.11.2013 – 23.03.2014
täglich 10 bis 20 Uhr

in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, München

 

Weitere Informationen

 

Von der Ruinenstadt geht bis heute eine Faszination aus, die schaudern lässt: als Symbol für Glanz und Untergang einer höchst kultivierten und zugleich dekadenten Gesellschaft. Romane über ihre spektakuläre Zerstörung beim Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. werden Bestseller: von Edward Bulwer-Lyttons „The Last Days of Pompeji“ von 1834 bis zu Robert Harris‘ „Pompeji“, dessen Verfilmung 2014 in die Kinos kommen soll.

 

Feuer + Lava machen Luxus ein Ende

 

Nun bietet die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung detailreiche Einblicke in den antiken Alltag von Pompeji, dem benachbarten Herculaneum und dem bronzezeitlichen Dorf Nola, das bereits 1900 v. Chr. bei einem Vulkanausbruch verschüttet worden war. Rund 260 Exponate zeigen den Luxus, in dem Privilegierte schwelgten, und machen sein jähes Ende durch Feuer und Lava anschaulich.


Interview mit Kuratorin Konstanze Eckert + Impressionen der Ausstellung; © ganz-muenchen.de


 

Tier- + Pflanzenwelt auf 24 Metern Brunnenwand

 

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie von Sachsen-Anhalt; in ähnlicher Form war sie bereits 2012 im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale zu sehen. In München sind einige neue Objekte hinzugekommen.

 

Das bedeutendste ist das so genante Nymphäum aus Massa Lubrense: Die in Fragmenten erhaltenen Mosaike einer 24 Meter langen Brunnenwand zeigen eine wunderbare Tier- und Pflanzenwelt. Sie wurden mit Mitteln der Hypo-Kulturstiftung restauriert. Ein dazugehöriger Wasserverteiler mit Ventilen zeigt, wie hoch das technische Niveau solcher Bauten war.

 

Dichter Qualm wie ein Gießbach

 

Pompeji war eine wohlhabende Stadt: Der vulkanische Boden rund um den Vesuv ist fruchtbar, was bis zu drei Ernten jährlich erlaubt, die Landschaft wie gemalt. So hatten sich vor allem neureiche Römer trotz der Bedrohung in der Gegend niedergelassen.

 

„Schon fiel Asche, zunächst noch wenig. Ich schaute zurück. Hinter uns drohte dichter Qualm, der sich über die Erde ergoss und uns wie ein Gießbach folgte“: Dank Plinius d. J., der das Inferno am 24. August des Jahres 79 n. Chr. als Augenzeuge überlebte und beschrieb, ist die Chronologie der 18 Stunden dauernden Eruptionen hervorragend überliefert.

 

Hunde zerfleischen Hirschen

 

In der Ausstellung kann man einen formvollendeten Bronze-Läufer aus der „Villa dei Papiri“ ebenso bewundern wie die Schönheit einer Apollon-Statue. Sie wird vor einer Foto-Wand mit dem Innenhof der „Casa Menandro“ präsentiert, so dass man sich fast am Original-Standort wähnt: Das Haus wurde nach einem Fresko benannt, das den griechischen Dichter Menander darstellt.

 

Auch die Wandmalereien aus dem Gartensaal im „Haus des goldenen Armreifs“, auf denen sich allerlei seltene Vögel in Efeu, Lorbeer und Oleander tummeln, sind berauschend schön. Von der Rohheit der Römer zeugen hingegen Skulpturen zweier Hirsche, die von Hunden zerfleischt werden; sie sind in München ebenfalls erstmals zu sehen.

 

Gelage-Liege + Silbergeschirr erhalten

 

Gladiatoren-Helme dokumentieren die zynische Herrschafts-Strategie von „Brot und Spielen“ der römischen Kaiser. Zugleich wird die philosophische Tradition der Stoiker etwa in der Devise memento mori sichtbar: Am Boden eines Speisesaals erinnert ein Skelett mit Krügen in der Hand an die menschliche Vergänglichkeit.

 

So überzeugt die Ausstellung durch eine glückliche Auswahl an Exponaten, die perfekt in Szene gesetzt, aber nie effekthascherisch dargeboten werden. Noch spannender als die Kunst- sind Alltags-Gegenstände, die je nach Fundort unterschiedlich gut erhalten sind: etwa eine erstaunlich intakte hölzerne Gelage-Liege, fast unversehrtes Silbergeschirr, geschmolzene Gläser und sogar ein verkohlter Brotlaib.

 

Künstlicher Mini-Vulkan für Franz von Anhalt-Dessau

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Doppel-Ausstellung "Pompeji – Nola – Herculaneum: Katastrophen am Vesuv"  - mit Funden aus Pompeji + pompejianischer Gestaltung im Gartenreich von Wörlitz im Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle/Saale

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung Antike Welten mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung “Die entfesselte Antike: Aby Warburg und die Geburt der Pathosformel” über die Wanderung antiker Kunst-Formen im Wallraf-Richartz-Museum, Köln.

 

Eine bis zu 20 Meter hohe Schicht aus Asche und Bimsstein hatte die Bewohner von Pompeji sekundenschnell getötet, aber Dinge konserviert. Die Hohlräume der Opfer wurden später mit Gips ausgegossen; festgehalten im Moment ihrer Auslöschung. Am Ende des Rundgangs erzählen fünf dieser gesichtslosen Gestalten schmerzhaft realistisch von der menschlichen Tragödie am Fuße des Vesuv.

 

Im Epilog lenkt die Schau den Blick auf die Rezeption in Kunst und Architektur der Neuzeit: Ab 1748 begannen systematische Ausgrabungen. Fürst Franz von Anhalt-Dessau besuchte Pompeji 1766 auf seiner «Grand Tour» durch Italien. Der Ort beeindruckte ihn sehr: Später ließ er sein «Gartenreich» in Wörlitz bei Dessau mit pompejianischen Anklängen ausschmücken – inklusive künstlichem, Feuerwerk speienden Mini-Vulkan.

 

J. Paul Getty baute Villa dei Papiri nach

 

Auch der sonst eher an Griechenland orientierte Bayerische König Ludwig I. hat sich hoch über dem Main den Nachbau einer römischen Villa errichten lassen: das Pompejanum in Aschaffenburg. Selbst der US-Tycoon und Kunst-Mäzen J. Paul Getty ließ für seine Antiken-Sammlung in Malibu ein mondänes Gebäude errichten, das die „Villa dei Papiri“ nachahmt. Pompeji bedeutet knapp 2000 Jahre nach der Katastrophe nicht nur einzigartiges – und gefährdetes – Kulturerbe, sondern eben auch ganz großes Kino.